Das Magazin für die Region Tegernsee

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Heimatgeschichte

Die eiskalte Wetterhexe vom Tegernsee

Hagel, sintflutartiger Regen, Stürme: Mitte des 17. Jahrhunderts plagen extreme Wetterumschwünge die Region Tegernsee – und den Rest Europas, das eine “Kleine Eiszeit” erlebt. Die Schuldige vor Ort ist aber bald gefunden: Eine Bauerstochter, die Durl von Hohenwiesen, soll das Tal verhext haben.

Text: Tatjana Kerschbaumer

Wetterhexe vom Tegernsee

Illustration Esteban Salas Campos

Ein Unwetter, schon wieder. Die Tegernseer Bauern fürchten um ihre Ernte, die sowieso mager ausfallen wird: Die Winter der letzten Jahre haben teils bis Pfingsten gedauert, selbst im Juni fiel noch Schnee. Und jetzt sieht es auch noch nach Hagel aus. Beim Wetter, so munkeln sie am Stammtisch, beim Wetter geht es nicht mit rechten Dingen zu! Und Schuld hat die Durl aus Hohenwiesen, bestimmt. Zu viele unheimliche und unglaubliche Geschichten hört man über sie.

Die Durl ist eine Bauerstochter, ansässig auf dem reichen Bachmairhof zwischen Fall und Lenggries. Wie die Durl den Pakt mit dem Teufel eingegangen ist, weiß keiner so genau – dass sie einen hat, ist in der Bevölkerung quasi unbestritten. Auf einer eingesalbten Ofengabel sei sie zum Hexensabbat auf den Ringberg geritten – sagt ein Weber auf der Walz, der bei ihr vorbeigekommen ist. Auf einem Nudelholz sei er mit ihr mitgefahren, berichtet der junge Krautenkaspar von Arzbach. So schnell sei sie damit unterwegs gewesen, dass er dabei fast erstickt sei. Und ihre Kühe melkt sie von der Küche aus. Sie bindet einfach einen Schuhriemen an den Ofenfuß und imitiert daran die Zupf- und Streichbewegungen.

Blick vom Schloss Ringberg
Foto: Johannes Renfordt

Das Schlimmste aber, das Schlimmste ist das Wettermachen. Einmal, als ihre Mutter es ihr erlaubt hat, hat es die Durl bei sich daheim in der Stube regnen lassen. Wenn der Regen nur in der Stube geblieben wäre! Blieb er offensichtlich nicht. Noch 1936 schrieb Willibald Schmidt in seinem Buch „Sagen aus dem Isarwinkel”: „Am meisten hat die Durlhexe die Leut mit dem Wettermachen geplagt, bis sie es nicht mehr aushalten konnten.” Die Talbewohner verdächtigen sie, alle Unwetter, die um den Tegernsee wüten, „zusammengeschoben” – also verursacht –zu haben.

Nur einmal geht ihr Vorhaben angeblich schief. Die Durl sitzt auf einer großen Tanne in Gmund und will es wieder einmal hageln lassen. Es ist kurz vor Mittag, sie ist mit ihrem Zauber noch nicht fertig, als die Glocken zu läuten beginnen: Ihr Klang bannt sie an den Baum; die Durl kann weder weiterhexen noch wegfliegen. Später soll sie zu ihrem Missgeschick gesagt haben: „Wär die große Schelln von Gmund, der Kotbauer von Eck und ‘s Goaßglöckl in Ried ned g’wesn, i hätt’ diesmal ois in Boden neischlag’n lassen. ‘s Goaßglöckl in Ried nutzt nix.”

Mit einem Trick wird die Durl scheinbar überführt
Als die Beschwerden zur Durl überhandnehmen, muss der zuständige Amtmann von Hohenburg handeln. Mit ein paar Männern kehrt er bei ihr auf dem Bachmairhof ein und lässt sich mit Apfelschnaps und Brot bewirten. Alle behaupten, sie hätten kein Messer zum Schneiden dabei – deshalb hält die Durl ihnen ihres hin. Die Schergen packen sie und pressen sie mit dem Tisch gegen eine Mauer. Die Durl wird verhaftet, und ihr wird wegen Hexerei der Prozess gemacht. Auf die Frage, wo denn ihr Teufelsmal sei, streckt sie den hohen Herren die Zunge heraus: „Darunter“ ist ihre Antwort.

Das Urteil lautet: Tod auf dem Scheiterhaufen – die Durl wird verbrannt, ihre Asche vergraben. Nach ihrer Hinrichtung sehen sie die wettergeplagten Tegernseer nicht mehr ganz so kritisch. Schon bald wird berichtet, die Durl hätte doch noch die Seligkeit erlangt: Denn aus dem Feuer, in dem sie starb, soll ein weißer Vogel zum Himmel geflogen sein.

Tipp:
Schloss Ringberg verfügt im Erdgeschoss über ein sogenanntes „Hexenzimmer“, gestaltet mit Bildern Friedrich Attenhubers, die sich mit der Geschichte des Ringbergs als Hexentanzplatz beschäftigen.

Besichtigung am Tag der offenen Tür
Infos unter www.schloss-ringberg.de

Seeseiten, Winter 2019.

Heimatgeschichten
erzählt von Tatjana Kerschbaumer

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