Herzogin Anna in Bayern
Zwischen Schloss und Brauhaus
Anna liebt Kunst, geht gern in die Berge, ist Mutter und leitet ein erfolgreiches Unternehmen – eine ganz normale moderne Geschäftsfrau also? Der erste Eindruck trügt. Tatsächlich ist Herzogin Anna in Bayern als Wittelsbacherin Nachfahrin einer Familie,
die das Tal so stark geprägt hat wie kaum eine andere. Das Leben der Herzogin ist immer auch eine Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne.
Text: Ute Watzl
Fotos: Urs Golling
Lebensfroh und voller Tatendrang: Herzogin Anna schätzt die unmittelbare Nähe zu See und Bergen.
Wer zu Herzogin Anna in Bayern möchte, klingelt bei der Herzoglichen Verwaltung. Das klingt bürokratisch, eher nüchtern, so wie sich später auch das Büro zeigt, wo das Gespräch stattfindet. Der Raum kommt so gar nicht pompös daher, wie es das Schloss, in dem er sich befindet, vermuten ließe. Warum auch? Geht es um Fürstinnen oder Herzoginnen, um Dynastien wie die Wittelsbacher, so läuft der Laie Gefahr, sich in Klischeebildern zu verlieren.
Die Realität – jedenfalls am Tegernsee – ist anders: moderner, unprätentiös. Die Wittelsbacher Herzogin öffnet schwungvoll das Tor zum Schloss, und als es sich hinter dem Gast wieder schließt, bleibt der heitere Lärm der Brauhaus-Gäste auf der großen Terrasse draußen zurück.
In der plötzlichen Stille des Schlossinnenhofs sagt die Herzogin: „Hier wächst unser Gemüse“, und zeigt auf ein typisches, nicht allzu großes Hochbeet, in dem ein Gewirr aus Tomaten- und anderen Gemüsepflanzen wächst, nicht akkurat, eher auf sympathische Weise wild. Daran kann sie sich erfreuen. Und überhaupt: Herzogin Anna kann herzhaft lachen, auch wenn man sich mal ungewollt in der Wortwahl vergreift. Kein Naserümpfen, stattdessen lautes Lachen.
Herzogin Anna in Bayern ist Schlossherrin im ehemaligen Kloster Tegernsee. Und nicht nur das: Sie ist auch Chefin der Herzoglichen Brauerei Tegernsee, die zweite seit deren Bestehen. Die erste war Caroline, Gattin des Wittelsbacher Königs Maximilian I. Joseph von Bayern, der es zu verdanken ist, dass das Kloster 1817 zum Schloss wurde.
200 Jahre später wird wieder unter einer Frau gebraut. Eine Frau, die wie dafür gemacht ist, nicht nur dieses traditionsreiche Brauhaus in eine moderne Zukunft zu führen, sondern auch das Tegernseer Tal mit all seinen Eigenheiten nach außen zu repräsentieren. Nicht, weil das eine ihr vererbte Verantwortung wäre, sondern schlicht, weil sie das Leben hier liebt. „Schon meine Eltern haben sich dem Tal immer sehr verbunden gefühlt. Bei aller Weltoffenheit – Heimat war immer hier“, sagt Herzogin Anna. Das ist ihr übergegangen in Fleisch und Blut.
Herzogin Anna in Bayern lebt im Schloss Tegernsee, dem einstigen Benediktinerkloster, das auch das Gymnasium und die Herzogliche Brauerei Tegernsee beherbergt
Die Brauerei war schon in der Kindheit eine willkommene Abwechslung
Ihre Kindheit, das war Wildbad Kreuth, ebenfalls seit 1817 im Besitz der Wittelsbacher Familie. Dort wuchs sie mit ihren vier größeren Schwestern auf. Sie erinnert sich: „Es war extrem frei. Aber die Winter waren endlos. Gefühlt bin ich monatelang nur durch weiße Schneisen gelaufen. Ich habe lange gebraucht, um den Winter wieder zu schätzen.“ Besuche beim Vater in der Tegernseer Brauerei waren immer eine spannende Abwechslung.
Mit acht Jahren zog sie ins Chiemgau auf Schloss Wildenwart. Sie vermisste dort die unmittelbare Nähe der Berge, die sie heute wieder in vollen Zügen genießt, auch auf regelmäßigen Wandertouren. Sie beendete die Schule in München, studierte Politikwissenschaften, ging nach Paris. Obwohl sie dem Tal recht bald den Rücken gekehrt hatte, war sie doch bei jeder Gelegenheit hier.
Sie nennt es Stalldrang. „Ich wusste, seit ich 18 war, dass es für mich der Tegernsee werden würde, und diese Brauerei“, sagt sie. Eine andere Karriere kam für sie nie in Frage. „In einem solchen Betrieb passiert einfach viel, da bewegt man was.“ Sei es der Parkplatz vorm Herzoglichen Brauhaus Tegernsee, der für eine großzügige Terrasse verlegt wurde, sei es die Schlossbrennerei Tegernsee, das neue Abfüllhaus in Gmund, das neue Sudhaus oder die Sanierung des Gasthofs Herzog Maximilian – Herzogin Anna genießt es, Dinge zu gestalten, Ergebnisse zu sehen, eine Situation unmittelbar zum Besseren zu verändern: „Das ist sehr genugtuend.“
Zum Vergleich: „Ein Wald ist auch arbeitsintensiv. Aber ein Wald wächst langsam, da braucht man viel Geduld.“ Und das ist nicht ihr Ding. 2014 übernahm sie die Geschäfte von ihrem Vater, heute leitet sie ein 90-köpfiges Team.
Als sie 2005 zurückkehrte und später in die neu eingerichteten Räume im Schloss zog, fühlte sie sich direkt wieder zuhause. Warum hier? „Es ist mehr als dieser Blick, mehr als diese Kulisse aus See und Bergen.“ Es ist der Menschenschlag, der einfach so gut zu ihr passt.
Die Chefin vor Ort: Herzogin Anna im neuen Sudhaus der Brauerei.
„Ich bin glücklich, dazuzugehören“
Ein Erklärungsversuch: Das Tal war damals, als sie zurückkehrte, „in einer Sohle“, wie sie es nennt. Die glanzvollen Zeiten schienen vorbei. Bergbegeisterte Münchner orientierten sich lieber nach Tirol oder weiter weg. Das Tegernseer Tal kam verschlafen und altbacken daher. „Geändert hat sich das dank der erstaunlichen Erneuerungskraft, die hier herrscht“, sagt Herzogin Anna. „Die hat dann wieder gegriffen. Die Menschen haben wieder investiert, neue Angebote lockten neue Besucher, es ging wieder aufwärts.“
Diese Innovationskraft sei Ausdruck der Heimatverbundenheit der Menschen hier. Weil man den Willen habe, die Heimat lebenswert zu gestalten. Es ist, als würde sie sich selbst beschreiben. Es ist eben eine Frage der Identität, aus ihrer Sicht das Wertvollste, das das Tegernseer Tal besitzt. „Ich bin glücklich dazuzugehören“, sagt sie.
Das ist schwer untertrieben. Denn die Wittelsbacher und der Tegernsee – das ist eine lange gemeinsame Geschichte. Aber man kann es auch anders sehen, wie jene alte Dame, die einmal zur Herzogin sagte: „Ihr Wittelsbacher, ihr seid’s eh neu, ihr seid’s ja erst seit 200 Jahren hier.“ Alteingesessen am Tegernsee – das kann ganz andere Dimensionen haben. „Das finde ich fabelhaft. Ich bewundere diese Menschen dafür, dass sie das, was sie geerbt haben, über so viele Generation bewahren und behutsam weiterentwickeln.“
Ihr als Wittelsbacherin kommt in diesem Miteinander dennoch eine besondere Rolle zu, auch wenn sie das nicht so nach außen tragen möchte. Und wahrscheinlich macht sie sich darüber weniger Gedanken, als man als Außenstehender meint. Adel verpflichtet – sie kennt es nicht anders. „Wir haben das von unseren Eltern so vorgelebt bekommen“, sagt sie und spricht dabei wie immer sehr überlegt. Auch das lernt man vermutlich intuitiv, wenn man wie sie aufwächst.
Kein Platz für Routine
Ihr Alltag ist dabei der einer erfolgreichen Unternehmerin und Mutter. Die zwei noch jungen Söhne (10 und 12 Jahre alt) aus erster Ehe nehmen darin noch immer den größten Raum ein. Seit 2015 ist sie mit Freiherr Andreas von Maltzan verheiratet. Routine hat in ihrem Alltag wenig Platz.
Es sind immer wieder neue Projekte, die den Ablauf vorgeben, zuletzt die aufwendige Wiederbelebung des traditionellen Gasthofs Herzog Maximilian in Gmund, der in bald 700-jähriger Geschichte schon dreimal im Besitz der Wittelsbacher war, aber zuletzt fast 40 Jahre lang brachlag und von innen verrottete. Nun sind es die fünf neuen Gebäude eines Wohn- und Gewerbekomplexes in Tegernsee, die sie anstelle des alten Hotels Guggemoos errichten lässt.
Das alles passt ins Bild einer Geschäftsfrau, die die Veränderung im Bestehenden liebt, Altes bewahrt, aber gern zeitgemäß aufwertet. Werte, die über den Geldwert hinausgehen, weiß sie als Liebhaberin zeitgenössischer Kunst und obendrein Mitglied des künstlerischen Beirats im Gulbransson Museum nur allzu gut zu schätzen und wohl auch zu erkennen. Sie kauft Kunst, seit sie 16 ist. Und sie platziert sie auch neben alten Gemälden im Schloss, Moderne im Einklang mit der Tradition.
Der Gast wirft noch einen letzten Blick zurück, auf diese ganz normale und dann eben doch wieder sehr eigene Welt. Das Tor fällt ins Schloss und der Trubel vorm Brauhaus hat ihn wieder.
Seit über 200 Jahren wird im einstigen Kloster Herzogliches Bier gebraut.
Monopoly Tegernsee
Die Seeseiten-Redaktion hat die Tegernsee Edition von Monopoly getestet. Die ist in zweiter Auflage erschienen.