Werner Schmidbauer im Seeseiten-Interview

Everybody’s Werner

„Nett“, der Begriff hat sich in seiner Bedeutung gewandelt. Was früher ernsthafte Anerkennung war, kommt heute wie ein vergiftetes Lob daher. Nett. Das zeugt nicht gerade von Begeisterung. Bei Werner Schmidbauer hingegen kann man den Begriff mit gutem Gewissen verwenden. Der Musiker und TV-Moderator ist von derart herzlicher Nettigkeit, dass man sich kaum vorstellen kann, jemand würde den Mann nicht mögen. Glauben Sie nicht? Einfach dieses Gespräch hier lesen.

Interview: Christian Jakubetz

Werner Schmidbauer Seeseiten Interview

Keine Band, kein Duo, stattdessen Schmidbauer pur. Der Musiker tritt bei seiner aktuellen Tour alleine auf.
Foto: Lena Semmelroggen

Oben, auf dem Gipfel der Zugspitze, steht ein Mann mit Gitarre und singt ein Lied: Ein ikonisches Bild, das Werner Schmidbauer Ende Mai im Bayerischen Fernsehen abgab. Und ein Bild, das viel über den Musiker und Moderator aussagt. Schmidbauer singt bayerisch, moderiert bayerisch und ist derart mit seiner Heimat verwachsen, dass man sich einen bayerischeren modernen Menschen kaum vorstellen kann. Angeblich übrigens kennen ihn 97 Prozent aller Bayern. Ein Gespräch über Musik, über den Unterschied zwischen Bad Wiessee und Verona, übers Älterwerden. Und über Ilse Aigner.

Werner, vor 25 Jahren warst du mit den „SchmidbauerS“ in Band-Stärke unterwegs, danach lange Zeit mit Martin Kälberer als Duo. Jetzt gehst du alleine auf Tour. Wenn die Zahl der dich begleitenden Menschen immer weniger wird: Bist du plötzlich ein Misanthrop geworden, der keine anderen Musiker mehr um sich herum haben will?
(lacht): Ich habe ja schon früher immer wieder mal Solo-Auftritte gemacht. Und in der letzten Zeit ist einfach der Wunsch gewachsen, meine Songs in ihrer intensivsten Form zu spielen. Ich habe das früher oft und gerne gemacht, das ist ja eigentlich mein musikalischer Ursprung. Und ich glaube, wenn es Songs gibt, die die Leute hören wollen, dann kann man die auch alleine spielen. Einen guten Song, den kannst du an jeder Straßenecke bringen. Kurz gesagt, es ist einfach schön, mal wieder alleine zu spielen. Ich bin ja auch privat gerne mal alleine, von dem her passt das schon.

Was ist denn anders, wenn man statt mit einer Band plötzlich ganz alleine auf der Bühne steht, nur mit seiner Gitarre? Ist das limitierter, reduzierter?
Reduzierter ist es auf jeden Fall. Ob es limitierter ist, weiß ich gar nicht mal. Was die Gestaltungsmöglichkeiten angeht, kannst du Dinge verändern, Songs anders spielen. Oder du änderst gleich das ganze Programm, weil jemand aus dem Publikum spontan was auf die Bühne rauf ruft. Also, du bist auf jeden Fall freier: Einen Tag spielst du einen Song mal so, am anderen Tag wieder anders. Auf eine gewisse Art ist das ein anarchisches und unlimitiertes Format. Ich bin eh jemand, der gerne spontan auf das Publikum eingeht. Außerdem hat mir unlängst mal jemand gesagt, er habe mich in allen meinen Formationen gehört, er fand aber das Soloprogramm sehr beeindruckend. Zumal man mit einem gewissen Alter auch die Reife entwickelt, sowas spielen zu können.

Mit dem Alter hast du angefangen, ich hätte es nicht erwähnt …
(lacht) Passt schon, ich fang jeden Tag damit an … aber im Ernst, die Leute kommen bei so einem Programm näher an dich ran, auch räumlich.

Du hast mal vor einer ausverkauften Arena in Verona vor zigtausend Leuten gespielt, in Bad Wiessee werden es deutlich weniger sein. Ist das auch eine Alterssache, dass du sagst: Muss ich in meinem Alter nicht mehr haben, vor 10.000 Leuten zu spielen?
Musste ich noch nie haben. Für uns war das ein Geschenk damals, niemand hätte jemals gedacht, dass die Arena voll wird. Aber du, ich hab in Bad Wiessee auch schon gespielt und das war wunderbar. Ich komm ja aus dieser Clubszene in München, ich habe das über viele Jahre gemacht: kleiner Club, intime Atmosphäre. Das ist sozusagen eine Rückkehr in meine musikalische Heimat, hat mit dem Alter nichts zu tun. Davon abgesehen, ich spiele im Oktober ganz alleine im Circus Krone, da sind es dann wieder mehr. Und außerdem: Wenn du gut drauf bist, dann spielst du einen guten Gig, der sich anfühlt wie im Club, weil die Leute den Eindruck haben, der spielt jetzt nur für mich. Ganz egal wo.

Werner Schmidbauer Seeseiten Interview

„Ich freu mich wahnsinnig drauf, wenn wieder Leute mit dabei sind.“ Nach der Corona-Pause freut sich Schmidbauer auf sein Publikum.
Foto: privat

Ich muss nochmal mit dem Alter anfangen … mir fällt Johnny Cash ein, der am Ende auch nur noch „Ein Mann und seine Gitarre“ gespielt hat. Oder letztes Jahr, da hab‘ ich in Miami die Stones gesehen und da haben die plötzlich ein Akustikset gespielt, mitten im Konzert.
Und wie hat das auf dich gewirkt, dieses Weglassen? Sehr intim, oder?

Ja, obwohl außer mir noch 70.000 andere im Stadion waren.
Siehst du! Für mich ist das übrigens nicht so ungewöhnlich, ich bin seit 20 Jahren fast nur noch in kleinen Besetzungen unterwegs, als Duo, Trio oder eben alleine. Bands habe ich nur noch zu großen Anlässen dabei. Gut, in Verona haben wir uns ein Orchester geleistet, weil wir uns dachten, wenn wir schon mal in der Arena spielen, dann machen wir es gleich richtig. Aber sonst, ich spiel 90 Prozent meiner Konzerte unplugged. Das erzeugt viel mehr Nähe, Authentizität. Das ist ganz was anderes als wenn du eine Band im Rücken hast, die den Saal wegbetoniert. Außerdem, jetzt in der Coronazeit darfst du so große Sachen eh nicht spielen. Wenn du da ein Konzert für 5000 Leute spielen willst, da brauchst du ja einen Saal für 20.000 …

… und dann ist das ja auch eher ungemütlich.
Genau, dann wird‘s ungemütlich. Ich bin auch bereit, ganz alleine meine Konzerte zu machen, einschließlich meinen ganzen Kram aufbauen. In der Zeit jetzt gerade sind wir alle aufgerufen, nicht nur groß zu reden, sondern auch was zu tun. Oder auch mal auf der Straße zu spielen. Ist doch wurscht, ob jetzt auf der Straße hundert Leute stehen bleiben oder ob du in einem Club spielst, in den zwar 400 reinpassen, aber nur 100 reindürfen, und das auch noch mit Mundschutz. Da ist die Straße fast schöner, glaube ich.

Sind dann die gestreamten Wohnzimmerkonzerte für dich eine Alternative?
Habe ich schon gemacht! Das war interessant, weil wir auch Geld sammeln wollten für Kollegen, denen es nicht so gut geht. Da sind 30.000 Euro zusammengekommen. Wir selbst hatten ja irre großes Glück, wir hatten von unserer Tour fast alle Konzerte gespielt, bis Corona kam. Ein paar sind dann ausgefallen, aber das war nicht mehr so wild.

Wie waren diese Konzerte dann für dich, so alleine im Wohnzimmer?
Ah ja, passt schon. Es ist schon ein bissel so, wie der Helge Schneider sagt: Am Ende sind wir Publikumsmenschen. Du lebst halt davon, dass der Saal voll ist, egal, wie groß er ist. Und von den Reaktionen des Publikums. Dass du merkst, was die Leute machen. Aber Streaming ist schon ok für eine Zeit lang, schon alleine zum Überleben. Ich war ja dann auch noch ganz alleine oben auf einem Berg mit einem Song …

Du meinst „Heroben“…
Ja, den habe ich alleine oben auf der Zugspitze gesungen. Den Song habe ich schon vor längerer Zeit geschrieben, oben auf einem Berg. Über das Gefühl, wenn du ganz alleine irgendwo hoch gehst und dann endlich oben bist. Das Ganze wurde dann von zwei Kameraleuten und einer Drohne gefilmt. Was ich damit sagen will: Man kann schon mal so Aktionen ganz alleine machen, im Wohnzimmer oder auf dem Gipfel eines Berges. Aber ich sag‘s dir, ich freu mich wahnsinnig drauf, wenn wieder Leute mit dabei sind.

Werner Schmidbauer Seeseiten Interview

„Auf eine gewisse Art ist das ein anarchisches und unlimitiertes Format.“ Schmidbauer steht gern mal allein auf der Bühne.
Foto: privat

Von dir gibt‘s ja auch dieses wunderbare TV-Format „Aufgspuit“, bei denen du dich mit Gästen durch deren musikalisches Leben gespielt hast. Gibt‘s da einen Song, einen Moment, den du besonders in Erinnerung hast?
Ja, mit Wolfgang Niedecken! Ich war schon immer ein großer BAP-Fan und habe Wolfgang 1984 als ganz junger Moderator vom „Alabama“ kennengelernt. Da hatten die gerade ihre DDR-Tour abgebrochen und waren dann am nächsten Tag bei uns in der Sendung. Und mit diesem Kerl 30 Jahre später auf einer Bühne zu stehen und mit ihm „Verdamp lang her“ zu singen und zu spielen, in einer kölsch-bayerischen Version, das hat mich sehr berührt.

Und sag mal, da gibt‘s dann noch diese Geschichte vom „Gipfeltreffen“ mit Ilse Aigner. Da hast du am Anfang der Sendung erst mal erklärt, warum du eine Politikerin plötzlich duzt; warum sie nicht die Frau Ministerin, sondern „die Ilse“ für dich ist. Ihr kennt euch offenbar schon ziemlich lange. Kommt sie dann auch, wenn du in Bad Wiessee spielst?
Ja Mensch, das ist eine gute Idee, da bringst mich auf was!

Ja, dann ruf sie halt an, vielleicht freut sie sich…
Weißt du, das war damals so: Meine Frau war mit der Ilse auf der Schule. Und mein Schwiegervater war 50 Jahre lang Bäcker in dem Ort, in dem die Ilse aufgewachsen ist. Da war sie halt schon damals fast jeden Tag in der Bäckerei und hat Brezn gekauft. Über meinen Schwiegervater ist dann auch der Kontakt für die Gipfeltreffen-Sendung entstanden…

Über deinen Schwiegervater? Das war doch damals schon eine bekannte Sendung. Da hast du ernsthaft deinen Schwiegervater gebraucht?
Ja, aber das Büro Aigner hat uns irgendwie geblockt und die Interviewanfrage anscheinend nicht weitergegeben. Und als mein Schwiegervater das gehört hat, hat er in Berlin im Ministerium angerufen und hat sich im breitesten Oberbayerisch durchgefragt. Irgendwann hat‘s die Ilse im Nebenzimmer mitbekommen, wer da anruft und hat gesagt: Gebt‘s mir sofort das Telefon! Danach war das alles eine Sache von zwei Minuten. Mein Schwiegervater hat sie gefragt: „Wos issn da los, mogst du ned zum Werner in die Sendung?“ In der Sendung haben wir uns dann natürlich geduzt.

Wäre auch albern gewesen, wenn nicht.
Eben. Da gibt‘s ein paar wenige Leute, die kenne ich schon lang, die duze ich halt und die kann ich dann nicht plötzlich in der Sendung siezen.

Also, lad die Ilse ein. Wir hätten dann nur gerne ein Foto davon.
(lacht). Klar, und am Ende stehe ich dann wieder in der CSU-Ecke. Aber im Ernst, die Ilse mag ich. Die ist wirklich gut.

Werner Schmidbauer Solo: „Bei mir“

Freitag, 16.10, 20.00 Uhr,
Winner’s Lounge, Winner 1,
Spielbank Bad Wiessee

  • Was tun Sie gerade, …?

    Die Keramikerin Monika Ulbrichtbetreibt die gleichnamige Werkstatt am Tegernsee in vierter Generation.