Kabarettist Stefan Otto
Mundwerk und Handwerk
Unser Alltag ist eine komische Sache. So komisch, dass es schon wieder zum Lachen ist. Zumindest dann, wenn man genau hinschaut. Der Kabarettist Stefan Otto macht das. So genau, dass daraus ganze Programme entstehen. Fast wie im richtigen Leben, das wusste schon der große Polt, ist es halt immer am lustigsten.
Interview: Christian Jakubetz
Ein ehrlicher Handwerker, sowohl auf der Bühne als auch im echten Leben: Stefan Otto.
Foto: Alex Huber
Stefan Otto ist Niederbayer und Kabarettist und damit gehen die potenziellen Missverständnisse auch schon los. Bei dieser Kombination aus Herkunft und Beruf denkt man vermutlich an die Riege großer niederbayerischer Kabarettisten. Und damit beinahe zwangsläufig an scharfzüngiges und sehr politisches Kabarett. Stefan Otto ist von alledem: nichts. Mit der großen Politik hat er nichts am Hut, Otto ist eher ein Beobachter der kleinen und mittleren Merkwürdigkeiten des Alltags.
So ist es dann auch, wenn man ihm begegnet: so gut gelaunt, dass man sich fragt, wie viel davon gespielt ist (nichts, er ist wirklich so). Ein bodenständiger Familienvater und Handwerker, mit dem Unterschied, dass der Schreiner Otto am Mittwoch Feierabend macht und dann zum Kabarettisten und Kleinkünstler wird. Dazu braucht er kein Alter Ego, der Kabarettist ist so freundlich und fröhlich wie der Schreiner und der Familienvater auch.
Stefan, ich komme gerade nicht mehr ganz mit, dein Auftritt am Tegernsee resultiert aus der Verschiebung der Verschiebung der Verschiebung … von wann eigentlich?
(lacht) Weiß ich auch nicht mehr genau. Ich glaube 2020.
Das sind jetzt auch schon wieder mehr als zwei Jahre. Was hast du in der ganzen Zeit gemacht, wie war das für dich, plötzlich daheim zu sitzen und nicht mehr aufzutreten?
Ich bin gelernter Schreiner, arbeite seit 22 Jahren. Und ich bin immer noch an drei Tagen in der Woche in der Werkstatt. Das funktioniert für mich wunderbar, wenn ich Handwerk und Mundwerk miteinander kombinieren kann. Von Montag bis Mittwoch Schreiner, an den anderen Tagen auftreten. Das war für mich während der schlimmsten Pandemie-Zeiten natürlich sehr praktisch, dass ich meinen festen Job hatte. Vor allem habe ich das Glück, mit meinem Chef ein beinahe familiäres Verhältnis zu haben. Der sagte nur: Wenn du gerade nicht auftreten kannst, dann kommst du jetzt halt wieder vier oder fünf Tage in der Woche. Und wenn es wieder losgeht mit dem Kabarett, dann gehst du zurück auf drei.
Dann kann man die Frage danach, wie es jetzt mit dem Kabarett so geht, auch ganz einfach verklausulieren: An wie vielen Tagen arbeitest du gerade als Schreiner?
Aktuell sind es drei Tage in der Woche. Aber ab und an gehe ich flexibel wieder auf vier.
Unsichere Zeiten also für Kabarettisten?
Ja, und ich kann’s sogar verstehen. Die ganzen Themen wie Energiepreise, Krieg und immer noch die Nachwehen von Corona, da wundert es mich nicht, dass der Kartenverkauf für viele Veranstaltungen nicht mehr so geht wie früher.
Einblicke ins tägliche Leben: Stefan Otto ist einer, der den Leuten (wie man so schön sagt) aufs Maul schaut.
Foto: Alex huber
Halb voll ist das neue „ausverkauft”, habe ich mal gehört.
Ja, das ist so, leider. Es ist manchmal gruselig.
Kommt man dann nicht irgendwann an den Punkt, an dem man sagt: Lohnt sich nicht mehr und macht auch keinen Spaß mehr?
So weit bin ich noch nicht. Aber manchmal ist es schon deprimierend. Zumal man den Fehler erstmal bei sich selbst sucht und sich fragt: Warum kommen die Leute nicht mehr so wie früher? Aktuell gibt es vielleicht noch eine Handvoll Kabarettisten, die brutal gefragt sind. Martin Frank, Monika Gruber, solche Kaliber. Alle anderen haben echt zu kämpfen. Bei uns im „Kabarett-Mittelstand“, da musst du momentan froh sein, wenn du 100 oder 150 Zuschauer zusammenbringst. Und bei mir war es ja besonders unglücklich.
Warum?
Ich stehe zwar schon seit 20 Jahren mehr oder weniger regelmäßig auf der Bühne. Aber so richtig losgegangen, das professionell zu machen, ist es bei mir erst 2018. Da habe ich angefangen, auch mal Videos von Auftritten aufzeichnen zu lassen. Die waren dann im Netz und in Social Media zu sehen, das hat einen enormen Schub gebracht. Auf einmal waren meine Veranstaltungen ausverkauft. Plötzlich habe ich in Österreich vor 500 Leuten gespielt, das war mal eine ganz neue Erfahrung.
Und dann kam Corona …
Ja, ausgerechnet, als sich die ganze Sache richtig schön nach oben entwickelt hat.
Und jetzt?
Jetzt habe ich gerade das Gefühl, dass ich nochmal von vorne anfange. Wenn man nur nach den nackten Zahlen geht, die man manchmal sieht, ist das nicht gerade ermutigend.
Aber vermutlich liegt das ja gar nicht an dir, sondern einfach an der äußeren Situation, die, nennen wir es mal so: mindestens unsicher ist.
Ich kann das gut verstehen. Wenn alles teurer ist, dann überlegst du dir die Karten für einen Kabarettabend oder ein Konzert natürlich schon. Und die ganzen Ersatztermine, für die die Karten teilweise schon lange verkauft sind, die funktionieren ja auch, da spielt man dann plötzlich wieder vor vollem Haus.
In einem unserer letzten Gespräche für diese Rubrik hatten wir Martin Frank zu Gast. Und der hat uns erzählt, dass er während der Lockdowns echte Probleme hatte, sich zum Schreiben zu motivieren. Wie war das bei dir?
Die Motivation war gar nicht das Problem. Blöd war eher, dass ich ja erst 2019 ein neues Programm geschrieben hatte, das ich eigentlich ab April 2020 spielen wollte. Tja, das war leider nix … Ich hatte ein nagelneues Programm und durfte damit nicht auftreten. Im September 2020 hatte es dann endlich Premiere. Ich hatte genau drei Auftritte und schon kam der nächste Lockdown. Das heißt, eigentlich ist dieses neue Programm erst in diesem Jahr so richtig auf der Bühne angekommen. Und dann hat es ja auch noch einen blöden Titel für Zeiten wie diese: Gmahde Wiesn …
Ja, etwas unglücklich …
Es ist halt alles dumm gelaufen. Da gab es eine Veranstaltung in meinem Heimatlandkreis Dingolfing-Landau, geplant für Frühjahr 2020, die habe ich erst neulich nachgeholt.
Dein Glück ist vermutlich, dass du ja kein politischer Kabarettist bist, der womöglich noch auf aktuelle Ereignisse Bezug nimmt. Sonst hättest du das Programm vermutlich wegschmeißen müssen.
Ja, Gott sei Dank. Ich erwähne auch das Corona-Thema nicht bei meinen Auftritten, davon hat eh jeder die Nase voll. Und lustige Späße über die Ukraine oder den Gaspreis, nee … das ist nicht meins.
Auch der BR interessierte sich schon für den Kabarettisten. Nach der Corona-Zwangspause will Stefan Otto jetzt wieder an den guten Lauf anknüpfen.
Foto: Michael Otto
Was ist dann deins?
Der normale Alltagswahnsinn. Wenn sich da mal Aktuelles ergibt, dann baue ich das schon mal mit ein, zwei Sätzen ein. Aber da liegt nicht mein Fokus drauf.
Unser Alltag war die letzten zwei Jahre auch nicht gerade alltäglich, zumindest nicht in dem Sinn, was wir früher unter alltäglich verstanden hätten. Wie reagierst du darauf? Doch ein paar Sätze zu Masken, zu Gaspreisen – oder lieber einfach nur eine Nummer zum komplexen Verhältnis zwischen Männern und Frauen?
Schon eindeutig Letzteres. Wenn ich erstmal auf der Bühne stehe, dann läuft das Programm, erster Teil eine Stunde, Pause, zweiter Teil eine Stunde. Lieber ein kleiner Schlenker zu Thermomix, als zur Maske, obwohl das Thema Thermomix inzwischen auch ziemlich ausgelutscht ist (lacht).
Wie bist du auf die Idee gekommen, Kabarett zu machen?
Dein Lebenslauf klingt eher nicht nach den üblichen „Ich wollte schon immer mal”-Geschichten. Über Meilhammer & Schlenger, besser bekannt als „Herbert und Schnipsi“.
Wie bist du denn an die gekommen?
Als Kinder und Teenager haben wir mit ein paar Freunden die Sketche von denen immer nachgespielt. Irgendwann haben wir sie auf Video aufgezeichnet und dann mal so ein Band an die beiden geschickt. Das hat denen gefallen und so haben wir halt immer weitergemacht. Als wir dann 15 oder 16 wurden, kam bei uns die Ausbildung und diese kleine Gruppe hat sich aufgelöst.
Was war mit dir?
Ich hatte immer das Gefühl, dass ich das noch weitermachen will. Dann habe ich mit 17 mit dem Gitarre spielen angefangen und dabei meine ersten kleinen Lieder zusammengebastelt. Und 2003 war dann mein erster „richtiger“ Auftritt auf einer Bühne.
Also, alles ganz autodidaktisch, mal geschaut, was eine Note ist, was ein Akkord ist und dann drauflos gespielt?
Ja, schon. Und ich hatte das Glück, dass ich einen Onkel hatte, der Gitarre gespielt hat. Der hat mir dann immer wieder ein paar Kniffe gezeigt. Dann viel gelesen, immer wieder gespielt und so hat sich das weiterentwickelt.
Aber ein Plan für eine wie auch immer geartete Karriere steckte nicht dahinter?
Nein, ganz sicher nicht. Das hat sich alles einfach so ergeben.
Wenn du gearbeitet hast und dir nebenbei Gitarre und Kabarett quasi im Selbststudium beigebracht hast, dann ist für Anderes aber nicht mehr viel Zeit geblieben.
Nein, das hat schon die meiste Zeit eingenommen, außer der Arbeit natürlich. Aber mei, ich war nie der große Sportler, um ehrlich zu sein: Ich mach eigentlich gar nichts mit Sport. Da war eher das mein Hobby.
Du lebst nach wie vor immer noch in einem kleinen Dorf in der Nähe von Dingolfing, in der Gegend bist du auch aufgewachsen. Jetzt ist das alles nicht so groß, als dass man da anonym untertauchen könnte. Passiert dir das, dass dich die Leute ansprechen, beim Einkaufen beispielsweise, und dann sagen: Mei, Herr Otto, also bei Ihrem letzten Auftritt …
Doch, natürlich kommt das vor. Jetzt vor kurzem erst, da wurde gerade an einem Tag ein Auftritt abgesagt und da hat mich eine Frau angesprochen, dass sie ein Video von mir auf YouTube gesehen hat und dass ihr das so gut gefallen habe. Da war der Frust über die Absage des Auftritts gleich wieder vergessen.
Ok, dann sind wir jetzt wieder in der Zeit des Jahreswechsels 2022/23. Sofern jetzt nicht gerade wieder eine Pandemie oder etwas anderes dazwischenkommt, hast du einen Plan oder eine Wunschvorstellung für deine künstlerische Zukunft?
Schön wäre fürs Erste, wenn ich wieder auf sechs oder acht Auftritte im Monat kommen könnte. Und vielleicht mal den einen oder anderen Termin im Fernsehen. Ich bin jetzt keiner, dessen Lebensziel es ist, dreimal hintereinander den Circus Krone auszuverkaufen. Klingt erstmal großartig, aber auf der anderen Seite müsste meine Familie dann schon sehr zurückstehen. Ich fühle mich als Mitglied des kabarettistischen Mittelstands ganz wohl.
Stefan Otto
„Gmahde Wiesn“
Sa., 25. Februar 2023, 20.00 Uhr
Ludwig-Thoma-Saal
Rosenstr. 5, Tegernsee
“Ich fühle mich als Mitglied des kabarettistischen Mittelstands ganz wohl.
Foto: Alex Huber
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