Das besondere Stück
Die Haarnadel
Wer im Tegernseer Tal eine echte Tracht trägt, der weiß: Der Schmuck dazu wird mit viel Bedacht ausgewählt. Sogar die Haarnadeln sind etwas Besonderes: Aus feinstem Silberdraht gewickelte Einzelstücke.
Text: Susanne Mayr
Fotos: Urs Golling
Oben ziert eine größere Blume oder Krone die Haarnadel
Man zeigt, was man hat
Sechs bis acht kunstvoll verzierte Haarnadeln in einer schön gesteckten Frisur – so zeigten die Bäuerinnen früher was sie hatten. Oder die Bauern an ihren Töchtern, welche Aussteuer man wohl erwarten durfte. Denn zur Festtagstracht wurde gerne alles an Schmuck getragen, was man hatte. Schon zur Erstkommunion bekamen die Mädchen deshalb die ersten zwei bis drei Haarnadeln, die dann zu Geburts-, Namens- oder Festtagen aufgestockt wurden. Heute sind die handgefertigten Trachtenhaarnadeln gar nicht mehr so leicht zu finden, denn oft werden sie in maschinellen Verfahren kostengünstig gepresst oder gedrückt.
Das Original aber, das wird aus einem hauchdünnen Silberdraht von einem Filigrangoldschmied in kompletter Handarbeit gefertigt. Dabei werden zuerst sechs bis acht der feinen Drähte zu einem Stern gelegt und in der Mitte mit einer kleinen Blume zusammengefügt. Dann werden die Drähte geschlungen, gedreht und geformt zu Blättern, Ranken und Blüten.
Feinste Blätter und Ranken werden in Handarbeit aus hauchfeinem Silberdraht gebogen und gedreht
Feinstes Handwerk
Schließlich wird ein Gegenstück gefertigt, dann werden beide Teile separat in einer Kugelanke (ein Metallbrett mit verschiedenen runden Vertiefungen) gewölbt und dann zusammengelötet. Dazu benutzt der Filigrangoldschmied ein sehr weich fließendes Lot, um die feinen Teile zu verbinden. Die Punkte werden anschließend mit feinen Kugeln, den sogenannten Kröllchen, verziert.
Oben wird eine kleine Krone oder Blüte zur Verzierung angebracht. Das Haar ist dazu übrigens sehr ordentlich einseitig eingeschlagen oder großzügig zu einem Zopf gesteckt, auch die Spitzen werden nach innen genommen. Bei der richtigen Tracht ist alles versteckt, man sieht nur den Schopf und natürlich die Haarnadeln, bei denen jede – bedingt durch die Handarbeit – ein kleines bisschen anders aussieht.
Heute trägt man hauptsächlich silberne Nadeln, früher waren sie auch mal aus Gold und mit Steinen verziert. Um die kostbaren Stücke nicht zu verlieren, wird oft ein Widerhaken gebogen, der den Halt in der Frisur garantiert. Die Schalknadeln sind übrigens auf die Haarnadeln abgestimmt und werden genauso gefertigt. Auch hier braucht man sechs bis acht Stück.
Hinter der Geschichte:
Adolf Bertele, der Großvater der heutigen Besitzerin und Goldschmiedemeisterin Ursula Bertele vom gleichnamigen Schmuckgeschäft in Tegernsee fing Anfang 1900 damit an, das alte Handwerk wieder aufleben zu lassen und alten Trachtenschmuck zu sammeln. Noch heute werden die Trachtenhaarnadeln nach seinen alten Modellen in Handarbeit gefertigt. Im Laden in Tegernsee können die edlen Stücke schön dekoriert in einem alten Bauernschrank bewundert – und natürlich auch gekauft – werden.
Die kleinen Lötpunkte, die beide Hälften der Kugel verbinden, werden mit sogenannten Kröllchen verziert.
Seeseiten, Winter 2019.
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