Qi Gong am See

Gesundheit im Fluss

So lange und so gesund wie möglich leben – das ist das Ziel der alten chinesischen Ganzheitslehre Qi Gong. Wir haben die fließenden Bewegungen für Sie ausprobiert.

Text: Susanne Mayr-Flach
Fotos: Urs Golling

Qi Gong am Tegernsee mit René Hoyer

Seit 25 Jahren praktiziert René Hoyer Qi Gong.

Man kennt das schöne Bild: Menschen bewegen sich harmonisch miteinander und formen beim Qi Gong die schönsten Figuren – meist in Parks in China, New York oder Bad Wiessee! Ja, richtig gelesen, denn hier lehrt René Hoyer den alten chinesischen Weg für ein gesundes und langes Leben. Im Sommer verlegt der Lehrer, der selbst seit 25 Jahren praktiziert, seine Kurse auch direkt an den See.

Die Grundlage für ein gutes Leben

Qi Gong gilt in China und mittlerweile auch in der westlichen Welt als gute Möglichkeit, die körperliche und geistige Gesundheit zu erhalten. „Jede Übung wirkt immer durch Bewegung, Atmung und Visualisierung“, weiß René Hoyer, der wöchentlich Kurse an der Volkshochschule in Bad Wiessee und Hausham gibt. „Ich kenne kaum etwas Vergleichbares, das so stark auf Körper und Geist gleichzeitig wirkt.“

Doch so einfach, wie die Übungen auf den ersten Blick erscheinen, sind sie nicht. Viele kleine Elemente spielen zusammen, und die richtige Körperhaltung ist entscheidend für die Wirkung. Anfängern rät René Hoyer deshalb: „Man sollte sich auf jeden Fall einen guten Lehrer suchen und nicht mit Internetvideos anfangen. Sonst kann man viel falsch machen, vor allem was die richtige Haltung betrifft.

Die tatsächliche Wirkung der sanften Bewegungen des Qi Gong ist inzwischen vielfach wissenschaftlich belegt. „Sie dienen der Vorbeugung von Krankheiten, aber auch der Heilung von bereits bestehenden Beschwerden“, weiß der TCM-Experte, der auch seinen Patienten sehr oft gezielte Qi Gong-Übungen mitgibt. „Das Schöne an Qi Gong ist, dass es für jedes Alter und jeden Fitnessgrad geeignet ist“, so der Trainer weiter, „man kann die Übungen auch im Sitzen, Liegen oder sogar im Geiste machen, was in Studien einen ähnlichen Effekt wie die tatsächlichen Bewegungen gezeigt hat.“

„Den Oberkörper drehen“ ist eine Kraftübung, das heißt, sie wird mit offenen Augen praktiziert. Diese Übung stärkt die Lendenmuskulatur und das Milz-Nierensystem.
Im breiten Stand werden beide Hände an die Hüfte genommen, Handflächen zeigen nach oben. Nun abwechselnd nach rechts und links drehen und dabei eine Handfläche nach vorne schieben.

Harmonie in 18 Figuren

Bei allen Übungen geht es immer darum, die Lebensenergie, das sogenannte Qi, im Körper zum Fließen zu bringen und zu harmonisieren, wie der Lehrer erklärt: „Jede einzelne Übung hat bestimmte Wirkungen auf unseren Körper.“ Obwohl es unzählige Qi Gong-Stile und Übungen gibt, sind die 18 Figuren des Taiji Qigong wohl die am weitesten verbreitete Übungsfolge. „Die Qi Gong-Übungen werden aber je nach Tradition unterschiedlich ausgeführt“, sagt René Hoyer, der authentisches medizinisches Qi Gong nach Meister Qingshan Liu unterrichtet, bei dem er auch seine zweijährige Diplomausbildung absolvierte. „Denn die Übungen wurden früher in den Familien vom Vater an den Sohn weitergegeben.“

Bevor es losgeht, werden immer erst Aufwärmübungen gemacht, um sowohl die Gelenke als auch die aus der Akupunktur bekannten Leitbahnen oder Meridiane zu öffnen. Dann folgen Übungen mit so klangvollen Namen wie „Rudern auf ruhigem See“, „Die Sonne heben“ oder „Die fliegende Taube breitet ihre Flügel aus“. Und das nicht ohne Grund. „Die Namen geben das Bild vor, das wir uns vorstellen“, erklärt der erfahrene Qi Gong-Lehrer, der sowohl in chinesischer Kräuterheilkunde und Akupunktur als auch in Tuina (chinesische Heilmassage) ausgebildet ist. „So wird der Kopf frei und man kann den Alltag leichter vergessen.“

Energie speichern

Jede Übung wird zwischen drei und sechs Mal wiederholt, wobei immer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein- und ausgeatmet wird. Besonders wichtig sind auch die Abschlussübungen, die das Qi wieder beruhigen. „Wer schon länger übt, spürt richtig, wie die Energie im Körper fließt“, sagt René Hoyer. „Aber wenn wir zum Beispiel zu viel Stress haben, dann ist zu viel Qi im oberen Teil des Körpers, also im Kopf. Deshalb führt Anspannung auch zu Krankheiten wie Bluthochdruck, Tinnitus oder Kopfschmerzen.“

“Auf den Meeresboden greifen”:Das Bild dieser Übung ist wunderschön: Man greift auf den Meeresboden, nimmt die glitzernden Wasserkristalle auf und übergibt sie dem Himmel.
Ausgangsposition ist ein Ausfallschritt. Man beugt sich tief nach vorne, nimmt dabei das Wasser mit den Händen auf und geht nach oben in eine leichte Dehnung, die Arme öffnen sich.

Damit die Energie nicht verloren geht, wird sie nach den 18 Figuren in das körpereigene Energiezentrum zurückgeführt: „Der Punkt, Dan Tian genannt, liegt etwa eine Handbreit unter dem Bauchnabel“, weiß René Hoyer. Dort wird die Energie mit den Händen hingeführt und gespeichert.

Grundsätzlich gibt es beim Qi Gong einige wichtige Zonen im Körper: „Das Ming Men, das sogenannte Tor zur Vitalität, liegt unterhalb des zweiten Lendenwirbels, das Bai Hui ist der höchste Punkt des Kopfes, an dem alle Yang-Meridiane zusammenlaufen, und die sprudelnde Quelle befindet sich in der Mitte der Fußsohle.“ Während der Übungen spielen diese Zonen immer wieder eine Rolle. „Qi Gong ist wirklich sehr kraftvoll und sollte deshalb immer genau und mit guter Anleitung ausgeführt werden.“

Und sehr wirksam, wie sich immer wieder zeigt. „Es bewirkt geistige Gelassenheit, Entspannung, körperliche Fitness und Wohlbefinden und wirkt sich sehr positiv auf die gesamte körperliche und geistige Gesundheit aus.“ Voraussetzung ist die richtige Ausführung. Und man sollte, wenn möglich, ca. 20 Minuten pro Tag üben.

René Hoyer hat über 25 Jahre Erfahrung in Qi Gong und unterrichtet an der VHS in Bad Wiessee und Hausham. Da die Kurse meist ausgebucht sind, gibt er auch Privatunterricht bzw. gibt seinen Patienten auch Qi Gong-Übungen mit. Weitere Infos www.renehoyer.agtcm-therapeut.de.

Qi Ging am tegernsee

Sich den Energiefluss bildlich vorzustellen ist im Qi Gong ein wichtiger Bestandteil. Bei der Übung „Die Wolken wegschieben“ nimmt man die Energie mit den Händen auf, nimmt sie mit nach oben und dreht die Hände dann nach außen, um sich vorzustellen, wie man damit die Wolken wegschiebt. Fortgeschrittene machen die Übung mit geschlossenen Augen.
Ausgangsposition ist ein breiter Stand. Die Hände aneinander legen, Handflächen nach oben führen. Auf Brusthöhe um 180 Grad drehen, über Kopf öffnen und weit auseinander nehmen.

  • Was tun Sie gerade, …?

    Die Keramikerin Monika Ulbrichtbetreibt die gleichnamige Werkstatt am Tegernsee in vierter Generation.