Korbinian's Kolleg
Denker, Macher … Kohler
Als Fünf-Sterne-Hotelier kann man sich vermutlich kostspieligere Vergnügen leisten. Korbinian Kohler aber bevorzugt die Philosophie. Der einzige Luxus daran: Er gönnt sich dafür hochkarätige Gesellschaft. Jeden Winter lädt er zu einer philosophischen Vortragsreihe ins Bachmair Weissach, um gemeinsam der „Liebe zur Weisheit” zu frönen.
Text: Ute Watzl
Hotelier Korbinian Kohler hält es mit Aristoteles: „Menschliche Glückseligkeit besteht in erfolgreichem Handeln.“
Foto: Urs Golling
Will man das Wort umtriebig veranschaulichen, dann nehme man das Beispiel Korbinian Kohlers. Ob ambitioniert, engagiert oder schaffig – jedes der Synonyme, die der Duden hergibt, passt zum Hotelier des Bachmair Weissach. Was er angeht, entspringt dem Antrieb „Müsste man mal machen“ und gelingt ihm irgendwie immer. Mit seinen Projekten mischt er regelmäßig das Tegernseer Tal auf.
„Tycoon im Janker“ betitelte ihn die Süddeutsche Zeitung. Doch wer jetzt den üppigen Bayern im prächtigen Traditionsgewand erwartet, wird überrascht. Der Tycoon kommt beim Treffen eher unauffällig daher – und auch ohne Janker. Stattdessen ein schlanker, mittelgroßer Mann im Sakko, der im trachtvollen Gewusel seines Fünf-Sterne-Traditionshotels beinahe untergeht.
Statt im Janker offenbart sich sein Lokalbezug in Gestalt eines anderen Kleidungsstücks: Wo manche ein dekoratives Kunstwerk erwarten würden, hängt eine abgerockte, reich verzierte Lederhosn über seinem Schreibtisch an der Wand seines Büros – auf Samt aufgezogen, gerahmt und hinter Glas. „Diese Hose ist für mich Symbol eines reichen Lebens“, sagt Kohler. Diese Lederhose hängt jetzt in sämtlichen Zimmern des Bachmair Weissach Hotels, verewigt als Kunstdruck auf Gmunder Büttenpapier.
Büttenpapier war denn auch das eine, was seine Kindheit als Sprössling und Erbe des weltberühmten Familienunternehmens Gmund Papier prägte. Holz war das andere. Als Kind besaß er eine kleine Werkstatt im Keller seines Elternhauses. „Das war mein Rückzugsort, meine kleine heile Welt, die so schön nach Holz roch.“ Damals wollte er noch Schreiner werden.
Heute besitzt er eines der teuersten Hotels des Tegernseer Tals. Daneben verwandelte er Tennishallen in eine Event-Arena, den angestaubten „Kirchenwirt“ in die Hipster-Herberge „Bussi Baby“, das Café Kreutzkamm in ein Clubhaus für die Tegernseer und das 117 Jahre alte Wallberghaus auf 1.512 Metern vom alpinen Schutzhaus in ein Luxus Retreat in den Bergen. Daher die Bezeichnung „Tycoon“.
Philosophie: Urlaub für den Kopf
Als solcher fühlt er sich aber missverstanden. Es würde nicht zu seinem Selbstverständnis als Lokalpatrioten passen. Und auch nicht zum feinsinnigen Philanthropen, als welcher er sich nach eigenem Urteil zum Hotelier berufen fühlt. Wie auch immer, auf jeden Fall klingt das alles mehr nach Macher, als nach Denker, will man meinen. Doch er hat bei alldem – man fragt sich wie – noch Zeit für ein Philosophiestudium gefunden. Vier Semester neben Arbeit und Familie mit vier Kindern. „Ich wollte mal wieder was für den Kopf tun. Und es fühlte sich jedes Mal an wie Urlaub.“ Natürlich: Man darf sich das nicht so vorstellen, als mische sich da der Unternehmer unter die Studenten. Der Masterstudiengang wird für Menschen in Führungspositionen angeboten.
Im Wintersemester lädt Kohler zum Philosophieren ins Bachmair Weissach Hotel.
Foto: Bachmair Weissach
Mit 50 nochmal Musterschüler
Sein Philosophiestudium schloss Kohler als Musterschüler ab, mit einem Einser für seine Masterarbeit. Thema: die Meritokratie. Das ist bemerkenswert und er weiß: „Das Thema polarisiert.“ Es geht nämlich um die Frage: Ist es richtig und gerecht, dass alle Bürger die gleiche Anzahl von Stimmen bei politischen Wahlen haben? Oder sollten die, die einen größeren Beitrag zur Gesellschaft leisten, auch mehr Stimmrecht haben?
Die Meritokratie wird in der Mehrheit abgelehnt oder zumindest als problematisch erachtet, weil sie nämlich das Grundprinzip der Gleichheit bei demokratischen Wahlen kippen würde. Aber Kohler hat seinen eigenen Kopf und gibt zu: „Die Idee gefällt mir, weil sie das Wir-Gefühl und das Engagement für die Gemeinschaft stärken würde.”
Wem das wurscht sei, der habe dann eben nicht so viele Stimmen. Seine Hoffnung: Ein Wahlvolk, das sich stärker fürs Gemeinwesen einsetzte, würde die besseren Politiker wählen. „Extreme Positionen hätten es in einem solchen System schwer.“ Darum geht es ihm. Was die Mehrheit denkt, ist für ihn kein Maßstab. Dass es Meinungen jenseits des Mainstreams heutzutage schwerer haben, ernstgenommen zu werden, bereitet ihm sowieso Sorge. „Die Diskurskultur ist zerstört, das radikalisiert die Leute“, sagt er.
Den Einser für seine Masterarbeit verpasste ihm der Münchner Prof. Wilhelm Vossenkuhl. Der war es auch, mit dem der frisch gebackene Philosoph das Konzept für ein Philosophie-Kolleg im Hotel ersponn. Denn was den Macher Köhler begeistert, muss im Bachmair Weissach Konglomerat freilich in irgendeiner Form stattfinden. Die meisten „Man-müsste-mal-machen“-Ideen würden nie verwirklicht, glaubt Kohler. Nicht so bei ihm.
„Ich schätze seinen Mut und seinen wachen Geist“, sagt denn auch sein Philosophie-Professor Vossenkuhl. Gemeinsam wurden sie schnell konkret. „Etwas mit Anspruch“ sollte es werden, und der Professor sorgte für die intellektuellen Hochkaräter aus seinem universitären Netzwerk, die diesem Anspruch gerecht würden. Aus ganz Deutschland kommen sie ins Tal, die Philosophen, Wirtschaftsweisen, Soziologen und Politologen, jeder mit dem passenden Impulsvortrag im Gepäck.
Das Korbinians Kolleg ist nicht nur nach dem Hotelier benannt, sondern auch nach dem Heiligen Korbinian.
Foto: Ines Wagner
Seit 2017 widmete das Bachmair Weissach im Winter nun monatlich einen Abend den philosophischen Fragen der Zeit. „Wir hatten nicht erwartet, dass das so einen Zuspruch finden würde.“ Dass es die Vorträge kostenfrei zu hören gibt, dürfte dazu beitragen. Denken koste schließlich nichts, so Kohler, und es dürfe nichts Elitäres sein. Deswegen gibt’s die Weisheiten im Korbinians Kolleg für lau. Allerdings: Wer anschließend im kleineren Kreis diskutieren und dinieren möchte, zahlt 190 Euro.
„Ich halte es mit Aristoteles”
Allen Weisheiten zum Trotz: Wie man der aktuellen Lage begegnet, in die das Coronavirus die Welt im Allgemeinen und das Gastgewerbe konkret gebracht hat, weiß Kohler auch nicht. Aber Jammern entspricht nicht seinem Naturell. Um bei den Philosophen zu bleiben: Den Schopenhauer in ihm, den Miesepeter und Pessimisten, wird man vergeblich suchen. „Der ist nicht meine Stilrichtung. Ich halte es mit Aristoteles“, sagt er ohne Umschweife. Und das heißt was? „Nach einem glückvollen Leben zu streben, indem man seine Fähigkeiten optimal ausschöpft.“
Er selbst folgte diesem Grundsatz eher durch Zufall, noch lange bevor er das Philosophiestudium begann. Er verkaufte seine Hälfte an der Büttenpapierfabrik an seinen Bruder und kaufte – damals noch als Immobilienhändler – das Traditionshotel Bachmair Weissach. Er ließ sich auch aus etwas Eitelkeit und Neugier auf die Stellung als Hotelier ein und entdeckte darin seine Berufung. „Wenn man Menschen mag, ist so ein Hotel eine super Sache.“
Mutlosigkeit und Sicherheitsstreben sind seine Sache nicht. Allerdings, das gibt er zu, heute mache er sich vor neuen Projekten und Investitionen mehr Gedanken als früher. Das liegt jetzt aber weniger am Hang zum Philosophieren als an seinem Alter. „Bis 50 habe ich gedacht, ich sei unsterblich. Mit 50 habe ich angefangen, das Leben von hinten her zu denken: Wie alt werde ich überhaupt und wie viel Zeit für welche Dinge habe ich noch.“ Klingt, als habe er noch die eine oder andere Idee, was „man mal machen müsste“.
Das Korbinians Kolleg widmet sich in diesem Winter dem Thema „Wahrheit und Geltung”. Der Name bezieht sich übrigens nicht nur auf Korbinian Kohler, sondern auch auf den Heiligen Korbinian. Der habe einst den christlichen Glauben nach Bayern gebracht und so stelle der Name auch einen Bezug zur bayerischen Tradition her, so Wilhelm Vossenkuhl.
Das Korbinians Kolleg
Termine und Redner:
18. Dezember, Philosophie Professor Dr. Gerhard Ernst: Was ist Wahrheit? Gibt es nur die eine oder alternative Wahrheiten?
8. Januar, Prof. Dr. Wilhelm Vossenkuhl: Was gilt eigentlich und warum?
5. Februar, Politikphilosoph Prof. Dr. Karsten Fischer: Wie verändern sich Moralvorstellungen, Gesellschaftsbilder und Regierungstechniken?26. März, Soziologe Prof. Dr. Armin Nassehi: Welche Wahrheit kann Geltung beanspruchen?
9. April, Dirk W. Eilert Faszination Mimik: Hat er mich angelogen? Oder sagt er die Wahrheit?
16. April, Prof. Monika Schnitzler, eine der fünf Wirtschaftsweisen: Analyse der wirtschaftlichen Lage und der Weg aus der Corona-Krise
Beginn jeweils 18.30 Uhr. Bachmair Weissach Spa & Ressort, Wiesseer Straße 1, Rottach-Egern. Alle Infos zum Ablauf und zum exklusiven Galadinner im Anschluss www.bachmair-weissach.com/korbinians-kolleg
„Bis 50 habe ich gedacht, ich sei unsterblich. Mit 50 habe ich angefangen, das Leben von hinten her zu denken.”
Foto: Bachmair Weissach
Kabarettist Stefan Otto
Der Kabarettist Stefan Otto kommt mit seinem Programm "Gmahde Wiesn" an den Tegernsee.