Michael Altinger über Kabarett im Trump-Zeitalter

Stockkonservativ ist das!

Soll ja keiner behaupten, dem Kabarett heutiger Prägung sei irgendwie der Biss abhandengekommen. Michael Altinger jedenfalls, seit über 20 Jahren eine feste Größe der Szene und Gewinner des Bayerischen Kabarettpreises, kann immer noch sehr schnell sehr scharfe Spitzen abfeuern. Was er in seinem neuen Programm „Hell“ auch macht. Ein Gespräch über grüne SUV-Fahrer, den Unterschied zwischen Kabarett und Comedy, über das tägliche Scheitern am eigenen moralischen Anspruch. Und das kabarettistische Potenzial des Tegernseer Tals.

Interview: Christian Jakubetz

Stets voller Energie: Michael Altinger auf der Bühne / Foto: Tobias Tschapka

Herr Altinger, wenn man sich Ihre (Kabarett-)Vita anschaut, dann liest sich das schon sehr traditionell: BR, Schlachthof, Lach-und Schießgesellschaft. Ist das eine Art konservatives Kabarett, das sich bewusst von Comedy und Stand-up absetzt?
Stockkonservativ ist das. Ich trage auch privat ausschließlich Lodenmäntel und schreibe meine Texte erst, wenn ich am Sonntag in der Frühmesse war. Dann lasse ich alles von Herrn Söder korrigieren und wenn meine Schafkopfrunde, am Stammtisch vom Schnapperwirt, ebenfalls zufrieden ist, dann spanne ich die Rösser vor den Wagen und fahre damit zu einer Bühne oder zum BR.

Mal ganz ehrlich: In Zeiten, in denen die Grünen bei über 20 Prozent liegen, ernsthaft nach der Akzeptanz eines Kanzlers Robert Habeck gefragt wird und nicht mal mehr in Bayern irgendwas mit absoluten Mehrheiten geht – kann sich der Kabarettist alter Schule da nicht beruhigt zurücklehnen und feststellen, dass ihm der klassische Gegenstand der Satire ein wenig abhanden gekommen ist?
Sie haben recht. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass es überall im Land mittlerweile bezahlbaren Wohnraum gibt, dass man wieder ohne Stau von A nach B kommt, die Kinder alle die gleichen Bildungschancen haben und in Amerika wird Donald Trump nächste Woche seiner Pubertät entsteigen. Da kann sich der Kabarettist alter Schule tatsächlich entspannt zurücklehnen.

Umgekehrt gefragt: Ist der SUV-fahrende Grünen-Wähler für das Kabarett jetzt das, was der durchschnittliche Strauß-Verehrer vor 30 Jahren war?
Nicht ganz. Der durchschnittliche Strauß-Verehrer vor dreißig Jahren ist wesentlich häufiger in die Kirche gegangen, und man könnte ihn heute sicher zu einem Großteil wohl der AfD zuordnen. Der SUV-fahrende Grünen- Wähler hingegen hat die Optimierung des eigenen Lebensentwurfs zur Religion erklärt. Er konsumiert gesund und nachhaltig, weil er es sich leisten kann und betrachtet das Glück seiner Kinder als Förderprogramm für seine Selbstvervollkommnung. Aber es stimmt schon. Sowohl das Eine als auch das Andere ist geprägt von einer großen Verlogenheit und Engstirnigkeit. Das waren schon immer beliebte Zielscheiben fürs Kabarett.

Sie stehen seit über 20 Jahren auf der Kabarettbühne. Was hat sich in dieser Zeit im Kabarett verändert?
Die öffentliche Aufmerksamkeit hat sich stark erhöht. Kabarett wird immer wichtiger für die Meinungsbildung in der Gesellschaft. Es gibt inzwischen eine Flut an unterschiedlichsten Informationen zu den einzelnen Ereignissen, dass der Energie- und Zeitaufwand, sich selbst daraus eine Meinung zu bilden, immer größer wird. Diese Zeit und diese Energie hat nicht jeder. Deshalb stützen sich viele Leute inzwischen auf ihre Lieblingskabarettisten, von denen sie überzeugt sind, dass die sich schon eingehend genug mit der jeweiligen Materie beschäftigt haben.

Michael Altinger gibt die Richtung vor. / Foto: Veranstalter

Welche Bedeutung haben Kabarettisten heute?
In Bayern haben die bekanntesten Kabarettisten inzwischen einen Stellenwert, der früher vielleicht den berühmteren Volksschauspielern vorbehalten war. Ein Polt, ein Schleich, eine Monika Gruber haben heute eine Bedeutung, wie früher ein Gustl Bayerhammer, Max Griesser oder Ernie Singerl.
Dabei wird aber der Begriff „Kabarettist“ heute immer schwammiger. Weil „Kabarett“ inzwischen für fast alles steht, was irgendwie lustig ist. Denn meistens wird dann etwas geboten, das ich eher mit „komödiantischer Folklore“ überschreiben würde.

Was unterscheidet denn „Kabarett“ von „komödiantischer Folklore“?
Bei der komödiantischen Folklore rammt die Zuschauerin ihrer Nachbarin den Ellenbogen begeistert in die Seite und sagt: „Genau, wie mei Mo dahoam!“ Beim Kabarett rammt die Zuschauerin ihrem Mann den Ellenbogen begeistert in die Seite und sagt: „Das tät der Nachbarin aber nicht gefallen!“

Das neue Programm trägt den Titel „Hell“. Was dürfen wir uns unter diesem Titel vorstellen?
Es geht mir schon um die Helligkeit, das Licht, auf das wir ja bekanntlich spätestens dann zusteuern, wenn wir nicht mehr vom Fleck kommen. Es geht auch um eine Reinheit, die die Menschheit immer gern verehrt hat und die, mit dem Einstieg ins Informationszeitalter, ausgestorben ist. Höchste Zeit also, noch einen letzten Versuch zu starten, selbst zur reinsten Reinheit zu gelangen, ein moralisches Vorbild zu sein, eine echte Lichtgestalt.

Ein moralisches Vorbild zu sein ist ein hoher Anspruch. Kann das gelingen?
Natürlich nicht. Sonst wird’s ja nicht lustig. Aber ich werde bei jeder Vorstellung mit den besten Vorsätzen starten, das verspreche ich. Scheitern werde ich trotzdem, weil jede Reinheit nach enormer großer Opferbereitschaft und Verzicht verlangt. Und dem folgen bekanntlich nicht einmal die größten Religionsgemeinschaften. Es wäre anmaßend von mir, mich ernsthaft darüber hinwegsetzen zu wollen.

Beim Titel „Hell“ könnte man auch an die Hölle denken. War das ihre Absicht?

Meine volle Absicht! Aber die Hölle spielt tatsächlich keine so große Rolle. Aber unwichtig ist sie auch nicht. Ich will ja wissen, wo alle Bösen hinkommen. Und dort muss es möglichst unangenehm und grausig sein. Wenn ich mich darauf verlassen kann, dann kann es mir sogar wurscht sein, wie mein eigener Himmel aussieht. Es reicht schon, auf die Bösen hinunterschauen zu können. Von wo aus auch immer.

Glauben Sie, dass Sie zu den Guten gehören?
Ja. Und ich glaube, das würde jeder von sich behaupten.

Und wie hoch schätzen Sie das Kabarett-Potenzial des Tegernsees ein?
Den See selber kann ich schlecht einschätzen. Aber die Bewohner um den Tegernsee schätze ich sehr. Ich war schon oft da und kann nur sagen: Ich freu mich auf ein Wiedersehen.

Das Gespräch mit Michael Altinger führten wir anlässlich seines Gastspiels in der Winner´s Lounge/Spielbank, in Bad Wiessee im April 2019.

Seeseiten, Frühling 2019.
  • Mit ihren Augen

    Die Tegernseer Illustratorin Katharina Bourjau präsentiert ihren persönlichen Blick auf das Tegernseer Tal.