Hotel Eder

Alles außer gewöhnlich

Die meisten Urlaubsgäste fahren auf ihrem Weg zum Tegernsee durch den kleinen Ort Moosrain einfach durch. Sehr schade, findet unsere Autorin. Denn hier verbirgt sich ein echtes Kleinod – und großartige Gastgeber: im Hotel Eder.

Text: Susanne Mayr-Flach
Fotos: Sanna Schaffry 

Haus Eder Tegernsee

Das Hotel Eder liegt direkt am ehemaligen Eisweiher in Moosrain.

Schon beim Abbiegen von der Hauptstraße in die Straße „Am Eisweiher 4“ passiert man ein Stück Geschichte des heutigen Hotels Eder. Denn genau hier steht das ursprüngliche Gasthaus Eder, das schon die Großeltern des heutigen Inhabers Thomas Eder geführt haben. „Das war ein ganz klassisches Gasthaus und sehr bekannt“, erinnert sich Thomas. Schließlich befand sich dort auch die Brauerei Moosrain, die später von der Waitzingerbräu AG Miesbach übernommen wurde. 

„Meine Eltern haben es von meinen Großeltern übernommen, dann waren mein Bruder oder ich an der Reihe“, erzählt der gelernte Koch. Doch es sollte anders kommen. Eders Eltern bauten sich ein „Austragshäusl“ auf der anderen Seite des heute noch bestehenden Eisweihers der Brauerei.

Da Eder Senior aber in einigen Vereinen aktiv war, wurden auch Aufenthaltsräume und einige Zimmer geplant. Schließlich wurde der Bau größer und so entstand ein neues Gasthaus, das Thomas von seinen Eltern übernahm. Auch hier ging es lange Zeit zünftig zu und die Wirtsstube war täglich mit Stammtischen gefüllt. 

Vom Gasthaus zum Hotel 

Doch nach reiflicher Überlegung entschloss sich Thomas zusammen mit seiner Frau Christiane, das Restaurant nur noch für Hotelgäste zu öffnen. „Wir wollten uns ganz dem Wohl der Hotelgäste widmen“, erinnert sich Christiane. Das sollte bei weitem nicht die einzige Veränderung sein, die durch die Quereinsteigerin aus Hessen ins Haus Eder einzogen. Haus und Einrichtung waren in die Jahre gekommen. Doch Christiane erkannte das Potenzial des Hauses, das Hotel zu einem Kleinod zu machen. 

„Insgesamt 16 Jahre haben wir umgebaut“, erinnert sich Thomas, „Zimmer für Zimmer, immer da, wo es am nötigsten war. Aber der Erfolg hat uns Recht gegeben“, sagt der geschickte Handwerker. Und das sieht man jedem Zimmer an. „Aus der Not heraus habe ich mal für ein Zimmer ein Bett aus Altholz gebaut“, erzählt der gelernte Koch, „mit Umrandung und noch kleineren Möbeln dazu.“ Ein Hotelkritiker, der oft unerkannt hier übernachtete, wenn er die großen Häuser im Tegernseer Tal inspizierte, war davon so begeistert, dass die Eders beschlossen, jedes Zimmer individuell und selbst zu gestalten. 

Haus Eder Tegernsee

Gemütlich und individuell: Schon beim Ankommen merkt man die Seele des Hauses.

Erst Genickbruch, dann Glücksfall 

Herausgekommen sind 13 wirklich einzigartige Zimmer, vom Einzelzimmer bis zur Suite für Familien. Für uns geht es heute in Zimmer Nummer 14, das sogenannte „Genickbruchzimmer“. Mein entsetzter Blick lässt die Gastgeber schmunzeln, aber sie beruhigen mich gleich wieder und erzählen mir die Geschichte. „Wir haben das Zimmer aufwendig renoviert“, berichtet Inhaber Thomas. „Das Geschäft lief gut, wir wollten bei allen Materialien beste Qualität und waren optimistisch, dass wir die Kosten in der nächsten Saison wieder hereinholen können.“ 

Doch dann kam Corona. Das Hotel Eder schloss, wie alle Gastronomiebetriebe, und die Gäste durften nicht mehr kommen. „Das hat uns wirklich Sorgen gemacht“, erinnert sich auch Christiane an diese schwere Zeit. „Wir waren uns manchmal nicht sicher, ob wir es schaffen.“ Aber sie haben es geschafft, und das Genickbruchzimmer ist wirklich jeden Cent wert. Altholzmöbel treffen auf offene Betonwände, alte Möbel wurden mit modernen Elementen kombiniert.

Das Bad hat sogar Glaselemente in der Wand, um mehr Tageslicht zu bekommen. Im Schlafzimmer steht natürlich wieder ein tolles altes Bett aus Altholz, mir fällt auch gleich die besondere grau-melierte Bettwäsche auf. „Für mich sind auch die kleinsten Details wichtig“, betont Christiane. „Bei uns hat jedes Zimmer seine eigene handgewebte Leinenbettwäsche, die farblich zum Rest der Einrichtung passt.” 

Kachel Monika hat jetzt einen eigenen Schrein

Beim Rundgang durch die anderen Räume merke ich, dass hier nichts von der Stange ist. Altes und Modernes gehen eine gelungene Verbindung ein. „Wir haben oft neue und verrückte Ideen und setzen sie dann gemeinsam um“, sagt Christiane. So haben sie gemeinsam mit der Unterstützung der Seniorchefin und befreundeter Handwerker buchstäblich Wände versetzt. „Wir hatten das Glück, immer wieder Menschen zu treffen, die uns verstanden und mit uns neue Wege gegangen sind. Ohne diese Menschen hätten wir es wohl nicht geschafft.“ 

Christiane und Thomas Eder

Die Gastgeber Christiane und Thomas Eder.

So wurden schließlich alte Hotelmöbel, verstaubte Wollvorhänge und braune Fliesen entsorgt. Aber nicht alle, denn dazu gibt es eine lustige Geschichte: „Überall im Haus, in den Toiletten und Bädern waren die klassischen alten braunen Fliesen namens Monika verlegt“, erinnert sich Christiane und muss sich fast schütteln. „Es war eine absolute Genugtuung, als die alle in einen großen Schuttcontainer geworfen wurden.“ Doch als der Container abgeholt wurde, lag noch eine völlig intakte Fliese auf dem Boden und brachte die Eders zum Lachen. „Der Kachel Monika haben wir jetzt in Zimmer 18 einen kleinen Schrein gebaut.“ Dort ist sie nun in einer kleinen Nische für immer verewigt.

Selber gemacht

„Es klingt immer so, als würden wir alles alleine machen, aber ohne unser Team wären wir nichts“, erklärt Christiane. „Das Schöne ist, dass die alle genauso verrückt sind wie wir und alles mitmachen“, freut sie sich. 

Die Eders wohnen hier im Haus. Was den Vorteil hat, dass Gäste jederzeit zu ihnen kommen oder nach ihnen klingeln können, wenn sie etwas brauchen. Ohnehin haben die beiden eine echte Hands-on-Mentalität. Christiane hilft in den Zimmern, ist natürlich für den Blumenschmuck zuständig, näht aber auch Tischdecken und Vorhänge, bohrt Löcher, häkelt Serviettenringe und bedient. 

Neben den tollen, maßgeschneiderten Möbeln schätzen die Gäste vor allem Thomas’ Frühstücks-Köstlichkeiten wie selbst geräucherten Speck und Lachs, feine Marmeladen und Kuchen und natürlich das selbst gebackene Holzofenbrot. In diesem Holzbackofen und auf der Terrasse werden auch immer wieder Pizza- oder Grillabende für Gäste angeboten und Thomas steht mehrmals in der Woche in der Küche. Aber das soll sich langfristig ändern.

Auf zu Neuem

„Wir haben gemerkt, dass wir nicht ewig so weitermachen können, und es gibt keinen Nachfolger.“ Also wird die Küche in Zukunft geschlossen, ab 2025 soll aus dem Hotel Eder ein Garni werden. Verhungern müssen die Gäste aber auch dann nicht, dafür haben sich die Eders schon etwas einfallen lassen: „Wir bauen unseren neuen Aufenthaltsraum um, natürlich mit vielen neuen Ideen“, erklärt der Hausherr.

Ausgestattet mit Kühlschrank, Getränken und Kaffeemaschine werden sie dann kleine Snacks auf Bestellung anbieten. „Mit dem neuen Konzept können wir das Hotel noch lange gemeinsam betreiben“, erklärt Christiane. Und auch wenn anfangs sicher einige Gäste bedauern werden, auf Thomas exzellente Kochkünste und Christianes umsichtigen und liebevollen Service verzichten zu müssen, kann es nur im Sinne aller sein, wenn die beiden Selfmade-Visionäre noch lange so weitermachen. 

Die Betten und Möbel sind etwas ganz Besonderes. Können Sie uns mehr über die Materialien erzählen? 

Thomas: Alles, was im Haus aus Holz ist, habe ich selbst gebaut – bis auf die Zimmertüren. Die Betten sind alle aus Altholz. Das ist zum Beispiel Holz von einem alten Bauernhof, aber auch von einem alten Bäckeranwesen in Gmund. Wenn ich ein Stück Altholz in den Händen halte, entstehen oft die ersten Ideen, was man daraus machen kann. 

Und es entstehen so viele Details. Gibt es dazu etwas zu erzählen? 

Thomas: Eine lustige Geschichte sind zum Beispiel unsere Zimmerschlüsselanhänger. Christiane hat keinen passenden gefunden und ich habe irgendwann gesagt: „Das, was du willst, gibt es nicht, das müssen wir dir schnitzen.“ Das war für uns das Stichwort und so haben wir einen Hornschnitzer gefunden, der uns jetzt geschnitzte Hornanhänger macht. Wir sind auch das erste Hotel, das einen Meterstab als Werbegeschenk hat. Aber das passt einfach zu uns. 

An welche Zielgruppe richtet sich Ihr Haus? 

Christiane: Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben einerseits Familien oder Paare, sehr viele Stammgäste, die gleich eine oder mehrere Wochen bleiben, zum Beispiel auch Handwerker oder Außendienstler, aber auch Alpenüberquerer, die nur eine Nacht bleiben. Bei uns ist jeder willkommen. 

Sie führen das Haus in dritter Generation. Was haben Sie verändert, was ist geblieben? 

Geblieben ist die Gastfreundschaft, die hier schon immer gelebt wurde, alles andere hat sich geändert, damit es einfach mehr der Zeit entspricht. Wir verbringen unseren Urlaub nicht in der Karibik, sondern in den Alpen, auch um uns immer wieder inspirieren zu lassen und mit der Zeit zu gehen. 

Haben Sie einen Lieblingsort im Hotel? Wenn ja, warum? 

Christiane: Da tue ich mich schwer, weil bei uns wirklich jedes Zimmer eine ganz besondere Geschichte hat. Zum Beispiel Zimmer Nummer 17, das habe ich schon als Junior Suite gemietet, bevor es überhaupt umgebaut wurde. Aber das zeichnet uns ja aus, dass wir gemeinsam das fast Unmögliche möglich machen. Das sind dann die Momente, in denen wir uns einfach freuen, dass wir wieder etwas Außergewöhnliches geschafft haben. 

Thomas: Meins ist definitiv die Küche, da bin ich einfach gerne, das ist mein Reich. 

Fällt es Ihnen nicht schwer, die Küche ganz aufzugeben? 

Nein, meine weiße Jacke – ja, die trage ich tatsächlich noch und auch eine weiße Mütze – werde ich auf keinen Fall an den Nagel hängen. Wir planen wieder einige Veranstaltungen wie Pizza-Abende und ich möchte mir auch noch eine schöne Außenküche bauen. Dann habe ich wieder mehr Zeit, mich persönlich um die Gäste zu kümmern und neue Ideen zu entwickeln. 

Wie würden Sie das Hotel in drei Worten beschreiben? 

Besonders, schön und ein Ort zum Nachhausekommen, das sagen viele unserer Gäste. 

Juniorsuite 17 wurde schon vermietet, bevor es sie überhaupt gab – typisch Familie Eder.

  • Mit ihren Augen

    Die Tegernseer Illustratorin Katharina Bourjau präsentiert ihren persönlichen Blick auf das Tegernseer Tal.