Eselwandern am Tegernsee

Gar nicht mal so stur

„Wie weit ist es noch?“ – mit Kindern wandern, kann manchmal ganz schön herausfordernd sein. Es sei denn, man hat den richtigen Begleiter dabei. Zum Beispiel einen mit langen Ohren und vier Beinen.

Text: Susanne Mayr | Fotos: Urs Golling

Eselwandern am Tegernsee

Neugierig und clever: Esel sind sehr einfühlsame und freundliche Tiere.

Die Rede ist nicht von einem Hund. Sondern von Eseln. Richtig gelesen: Eseln. Denn im Tegernseer Tal gibt es einen Ausflug besonderer Art zu erleben: Eselwanderungen. Angeboten werden sie von Andreas Vogt vom Eseltreff Tegernsee. Der Biobauer hat fünf Esel und ein Muli, mit denen er Begegnungen, Spaziergänge und Touren unternimmt.

Am Anfang steht dabei immer das Kennenlernen der Tiere. Klingt erst einmal banal, ist aber wichtig. Weil Esel von ziemlich unterschiedlichem Charakter sein können. Da wäre beispielsweise der gemütliche Ludwig, den Vogt von einem Gnadenhof übernommen hat. Oder die temperamentvolle Ellie, ein ehemaliges Bundeswehr-Muli aus Berchtesgaden. Dazu kommen der Bilderbuch-Esel Caruso sowie Dumbledore, der Leitesel, und die beiden irischen Ladies Bella und Jana, die früher mal auf der Hafner Alm gelebt haben.

Zu jedem Menschen findet sich ein passender Esel

„Jeder Esel hat einen eigenen Charakter“, erzählt Andreas Vogt. Und weil das für Menschen irgendwie auch gilt, findet häufig zusammen, was zusammengehört. „Wir können anhand dessen, welchen Esel sich welcher Mensch zum Spazierengehen aussucht, viel über die Persönlichkeit sagen“, erzählt Karin Sommer, die mit Andreas auf die Touren geht. Eher sicherheitsliebende oder introvertierte Leute nehmen oft die kleineren Tiere, während selbstbewusste Macher sich schnell zu Ellie oder Ludwig hingezogen fühlen.

Eselwandern Tegernsee

Karin Sommer und Andreas Vogt (Foto unten) verstehen ihre Tiere ganz genau.

Ich wähle mit meiner kleinen Tochter die gescheckte Jana, wir gehen also auf Nummer Sicher. Mein Mann mit der „großen“ Fünfjährigen beginnt sanft das Fell von Bella zu bürsten. Striegeln und streicheln, dazu eine kleine Einführung in den Esel als solchen. Dabei erfahren wir auch, was es mit den langen Ohren der Tiere auf sich hat. Ein Esel hört nämlich schon auf drei Kilometer Entfernung und dreht seine Ohren immer in die Richtung, aus der er ein Geräusch hört.

Angelegte Ohren haben also nicht wie bei Pferden die Bedeutung, dass etwas nicht stimmt, das signalisiert ein Esel deutlicher: „Sie zeigen einem immer ganz genau, wenn etwas nicht in Ordnung ist“, erklärt Vogt. „Wenn ihm was nicht passt, steigt er einem einfach auf den Fuß – erst ganz sanft, aber wenn er nicht verstanden wird, auch mal fester.“

Das heißt aber nicht, dass Esel dominant sind, sie wissen eben, was sie wollen und was nicht. Und genau daher rührt auch der alte Irrglauben, Esel seien stur. „Esel sind keine Fluchttiere wie Pferde, in unsicheren Situationen bleiben sie total ruhig, aber eben auch einfach stehen“, erzählt Andreas Vogt. Und dann? Kann man ziehen und zerren, wie man will, der Esel bewegt sich keinen Zentimeter. Die Lösung von Andreas Vogt klingt einfach und ist vermutlich trotzdem kompliziert: „Dafür braucht es dann einfach Gefühl.“

Auf Tour mit dem Esel

Und das ist es auch, was man auf so einer Eseltour lernt: Geduld, ein Gespür für die Tiere und auch in die eigenen Fähigkeiten zu führen. Wir gehen jetzt langsam los, einen schön eingewachsenen Kiesweg an der Rottach entlang. Die Esel scheinen uns wohlgesonnen zu sein, schnell haben wir ein flottes gemeinsames Tempo gefunden. „Der Mensch sollte nicht versuchen, den Esel zu beherrschen, es geht vielmehr um ein Miteinander“, rät uns Vogt. Einzig die Fressversuche der Esel, die immer Hunger haben, dürfen wir mit einem kurzen Ruck am Strick unterbinden.

Eselwandern am Tegernsee

Diese ungewöhnliche Wandertruppe zaubert ein Lächeln ins Gesicht – uns und allen, die uns begegnen.

Die Kinder sind total begeistert und auch ich habe die Esel in der kurzen Zeit richtig lieb gewonnen und ertappe mich dabei, wie ich Bella in unsere Unterhaltung miteinbeziehe. Geritten werden die Esel von Andreas Vogt übrigens nicht, auch wenn sie größere Lasten tragen könnten: „Der Rücken von Eseln ist anderes als der von Pferden und viel empfindlicher, man bräuchte für jeden einen maßgeschneiderten Sattel“, so der Besitzer. „Auch müsste man ein wirklich guter Reiter sein, denn Esel nehmen den Kopf beim Rennen nach unten und so wäre es ein echter Balanceakt sitzen zu bleiben“.

Neue Freunde

Andreas Vogt bietet seine Touren auf unterschiedlichen Wegen an. Mal geht es in die Natur, mal durch den Ort. Aber egal wo wir hinkommen, lächeln die Leute unserer ungewöhnlichen Gruppe zu. Esel sind einfach Sympathieträger. „Bei den Eselwanderungen hat jeder in kürzester Zeit ein zufriedenes Lächeln im Gesicht“, weiß Karin Sommer, die auch Einzeltouren als Intensiverlebnis anbietet. „Man vergisst kurz alle Sorgen und konzentriert sich auf den Moment.“

Das stimmt, auch ich könnte nicht sagen, wie lange wir so dahingelaufen sind. Von den Kindern kam kein Meckern und kein Murren. Zumindest nicht unterwegs. Doch nach der Rückkehr fällt der Abschied schwer. Viel zu schnell ist die Zeit vorbei gegangen und wir erreichen wieder unseren Ausgangspunkt. Zur Belohnung dürfen die Esel noch ohne Strick über eine Wiese galoppieren und bekommen von uns zum Abschied ein paar Karotten. Es wird bestimmt nicht lange dauern, bis wir diese klugen Tiere wieder besuchen werden – bevor meine Töchter ihre Überlegungen vertiefen, wo in unserem Garten ein Esel Platz hätte.

Über www.eseltreff-tegernsee.de können die Eselwanderungen bei Andreas Vogt und die Einzelcoachings bei Karin Sommer gebucht werden.

  • Was tun Sie gerade, …?

    Die Keramikerin Monika Ulbrichtbetreibt die gleichnamige Werkstatt am Tegernsee in vierter Generation.