Die Schlagergang

Sie wissen, was euch fehlt!

Drei Menschen auf der Bühne, zwei Minuten als Länge für einen Song und ein Abend voller guter Laune: So könnte man ein typisches Konzert der „Schlagergang“ beschreiben. Im Gespräch erklären Jonas Frank, Ines Wagner und Thomas Schuh aber dann, warum es ganz so einfach auch wieder nicht ist. Und warum manchmal junge Menschen die Texte der Songs besser können als sie selbst und welche Ähnlichkeiten es zwischen Schlager und Punk gibt.

Text: Christian Jakubetz

Die Schlagergang

Zurück in die Zeit von Petticoat, Kontrabass und Akkordeon: die „Schlagergang“.
Foto: Thomas Werner

Das Leichte kann ganz schön schwer sein. Die Kunst ist es dann, das vermeintlich Leichte auch wirklich leicht aussehen zu lassen. Wer zu einem Konzert der „Schlagergang“ geht, will sich jedenfalls vermutlich nicht den Kopf zermartern, sondern einfach nur gut gelaunt einen Abend verbringen.

Dafür haben die drei Gang-Mitglieder, die wir zum Seeseiten-Gespräch treffen, ziemlich gute Voraussetzungen. Alle drei sind von einer solchen Grund-Gutgelauntheit, dass man sich schwer vorstellen kann, wie sie jemals mal so richtig schlecht drauf sein könnten.

Ihr beschäftigt euch in erster Linie mit den Schlagern aus der Zeit der 50er und 60er Jahre. So alt seid ihr aber doch gar nicht …
Jonas Frank: Ich habe mich musikalisch schon immer sehr gerne mit dieser Zeit beschäftigt. Meistens eher international, Elvis Presley, Frank Sinatra, solche Sachen. Später wurde dann daraus auch die Frage: Was war eigentlich in Deutschland zu dieser Zeit so los? Man kennt die großen Namen, Peter Kraus, Peter Alexander, aber was die dann letztendlich geleistet haben, ist schon ein Wahnsinn. Und die fröhliche Musik, diese Sehnsucht nach Glück, diese Sehnsucht nach Fröhlichkeit, das ist eine ganz tolle Sache. Wir drei sind noch nicht so alt, aber uns vereint die große Liebe zu diesen Schlagern.

Ist das eine Form von Nostalgie? Ich meine, vermutlich sagt ja fast jeder von seiner Zeit so Sachen wie „Das wird es nie wieder geben“…
Thomas Schuh: Das Spezielle ist die Vielseitigkeit. Und dass diese Musik einfach eine Fröhlichkeit und Unbekümmertheit ausstrahlt, so dass die Leute sich gerne daran erinnern und damit eben Erinnerungen verbinden an ihre Zeit.

In unsicheren Zeiten und angesichts von Polykrisen: Kann das sein, dass es einfach so eine Sehnsucht danach gibt?
Ines Wagner: Unbedingt, ja. Das kann ich mir schon gut vorstellen.
Jonas Frank: Ich glaube, dass wir in sehr, sehr schwierigen Zeiten aktuell leben und ich möchte es auf keinen Fall mit der Zeit von damals vergleichen, aber es sind doch schon einige Parallelen zu sehen.

Eine Frage, die ich zwangsläufig eurer Frauenstimme stellen muss: Das Frauenbild der 50er und auch der 60er Jahre ist ja jetzt so nicht mehr ganz mit dem vergleichbar, was wir heute haben. Und man muss, glaube ich, nicht mal ausgeprägter Feminist sein, um zu sagen, das an sich kann man sich das doch als Frau nicht zurückwünschen. Ist es dann einfach nur ein nettes Spiel, dass man sagt, okay, ich schmeiße mir jetzt den Petticoat über?
Ines Wagner: Kommt auf den Song an. Wir spielen ja auch „Das bisschen Haushalt“ und da muss ich dann schon zwei, drei Dinge zu den Jungs sagen. Und zum Glück hat sich seitdem einiges geändert, wenn auch noch Änderungsbedarf da ist. Ich finde, man sollte es auch ein bisschen mit Augenzwinkern sehen. Die Zeit war damals so, wie sie damals war, und jetzt ist sie so, wie sie jetzt ist. Deswegen fühle ich mich da jetzt nicht schlecht, so ein Lied zu singen.

Die Schlagergang

Drei Stimmen, drei Instrumente, fertig ist die Gang!
Foto: Tomas Werner

Das „Haushalts-Lied“ ist aus den 70ern. Die anderen Sachen sind aber dann mindestens 10 oder 15 Jahre jünger. Ich kann mir vorstellen, dass man so einen Song aus den 50ern ganz gut mit kleiner Besetzung auf die Bühne bringt. Aber 70er und 80er, das war doch schon etwas aufwendiger, oder?
Jonas Frank: Das ist genau das, was die Schlagergang auszeichnet. Mir war es wichtig, dass wir ein akustisches Trio sind. Wir sind mit Akkordeon, Gitarre und Kontrabass jederzeit spielbereit und brauchen nichts weiter. Und was die Schlagergang auch ausmacht, ist die eigene Note des Liedes.

Ihr spielt also nicht einfach nach, sondern macht eigene Arrangements?
Jonas Frank: Es gibt Songs, die wir nicht von vorne bis hinten so covern, wie es es im Original gab. Das machenwir nicht. Wir spielen so mit unseren eigenen Ideen. Es sind teilweise Tonartwechsel drin, die es im echten Stück nicht gibt. Es sind irgendwelche Soli drinnen, die es im echten Stück nicht gibt. Und oft stellt man dann fest: Mensch, das klingt auch ganz cool, wenn es zu dritt von akustischen Instrumenten kommt.

Ines und Thomas, wie ist es bei euch? Macht ihr auch schon so lange wie Jonas professionell Musik?
Ines Wagner: Musik hat mich schon immer begleitet. Ich war so ein klassisches „Flötenkind“, aber später waren andere Hobbys wichtiger. Erst durch meine Tochter bin ich so ein bisschen in die Musik zurückgekommen. Dann hat mein Mann mir irgendwann eine Gitarre geschenkt und dann ging es wieder los mit der Musik. Tja, und jetzt gibt es eben die Schlagergang …
Thomas Schuh: Ich muss und kann ein paar Dekaden weiter zurückgreifen, ich bin ja schon etwas älter. Bei mir war es immer der Spaß an der Sache. Was die Musik angeht, da habe ich eine große Bandbreite an Sachen, die mir gefallen. Gefällt mir alles riesig, also ich hab eine Spannweite von gefallen, die ist relativ groß. Schlager gehören auf jeden Fall dazu.

Redet ihr noch mit mir, wenn ich sage, dass ich bei Schlagern immer die Nase gerümpft habe und diese Musik bei ein paar Menschen ja eher verpönt ist?
Jonas Frank: Das ist ein Thema, das uns immer wieder begegnet. Klar, es gibt Leute in jeder Altersklasse, die sagen, Schlager braucht kein Mensch. Aber wir erleben oft auch genau das Gegenteil. Wir haben mal auf einem Festival gespielt, da waren junge Leute, die waren zwischen 13 und 16, die hatten eine enorme Freude an unserer Musik. Die kannten unsere Texte besser als wir selbst.
Ines Wagner: Mein Mann und ich sind schon breit aufgestellt musikalisch. Aber unsere Tochter natürlich nicht. Die hört Deutschrap. Aber dadurch, dass ich zuhause übe oder sie auch bei den Konzerten dabei ist, hört sie die Schlager halt immer mit. Und das ist ja alles auch total eingängig. Mittlerweile findet sie das alles gar nicht mehr so schlecht. Dieser Mitsing-Faktor spätestens im zweiten Refrain kommt uns natürlich auch zugute.

Die Schlagergang

Stilsicher: Bei den Auftritten der Schlagergang muss natürlich auch die Optik stimmen.
Foto: Thomas Werner

Thomas Schuh: Das stimmt. Letztendlich ist es so, dass man fast allem etwas abgewinnen kann. Schlager bietet wirklich Facetten, Techno bietet Facetten. Und ich stelle auch bei meinen Töchtern, die jetzt so Mitte und Ende 20 sind, fest, dass die sagen: „Schön, hey, gibt‘s auf YouTube, ist doch irgendwie cool.“ Und letztendlich hat der Schlager auch noch einen großen Pluspunkt, das ist diese Unbekümmertheit.

Gibt es einen festen Plan für die Schlagergang oder sagt ihr, wir gehen jetzt mal raus, spielen ein bisschen, wenn uns jemand zuhört, fein und wenn uns keiner zuhört, dann halt nicht?
Jonas Frank: Als die Schlagergang gegründet wurde, saßen wir zusammen bei einem Bier in unserer Musikbar. Und dann hat die Ines gesagt: „Wollt ihr auch mal Konzerte spielen?“ Das war vor zwei Jahren. Dass das mal so gut funktioniert, hätten wir damals nie gedacht. Und das Ziel ist einfach Spaß zu haben, die Lieder weiter zu vermitteln, natürlich auch, sagen wir mal, erfolgreich damit zu sein. Aber jetzt zu sagen, nächstes Jahr machen wir die neue ARD-Show um 20.15 Uhr, das wahrscheinlich doch noch nicht. Wichtig ist uns dieses Jahr, dass wir Spaß haben, dass die Leute bei uns Spaß haben am Konzert. Wir haben ein ausführliches Bühnenprogramm, bei dem es nicht nur um die Musik geht, sondern auch um die Entstehung der Musik. Es sind ja kleine Liebesgeschichten mit dabei, alles mögliche. Es ist ein sehr humorvolles und musikalisches Programm mit über 40 Songs.

Apropos Publikum, was für Leute sitzen da denn jetzt drin? Sind das alles Leute, die in dieser Zeit groß geworden sind und sagen, ach, jetzt lass ich mich noch mal zurückbeamen in die 50er, 60er, 70erJahre? Oder sitzen da auch mal 20-Jährige, die sagen, tolle Musik?
Jonas Frank: Es ist total unterschiedlich. Das kommt auf den Veranstaltungsort an. Wir haben da die unterschiedlichsten Sachen erlebt. Vom eher jungen Festival-Publikum bis zu einem Abend, bei dem der Altersschnitt über 60 liegt. Die lassen dann eher mal die damalige Zeit Revue passieren. Und du siehst wirklich, dass das mit den Leuten was macht. Egal ob sie mitsingen, mitklatschen, du merkst, die sind in einer anderen Welt, die denken an Sachen von früher.

Weil ihr gerade das Thema Klatschen angesprochen habt. Ist das so ein typisch deutsches Phänomen, dass das Publikum immer sofort mitklatschen will? Ich frage, weil ich schon Konzerte an allen möglichen Plätzen der Welt gesehen habe, aber nirgends wird so leidenschaftlich geklatscht wie bei uns.
Thomas Schuh: Klatschen ist eine Form von positiver Ausgelassenheit. Ich lasse einfach mal los und mache den Musikern eine Art rhythmisches Kompliment: Gefällt mir, gefällt mir, ich bin bin voll dabei!
Jonas Frank: Das macht den Schlager ja auch aus. Aber es ist nicht so, dass es nur einfache Songs gibt. Klar, es gibt den klassischen Schlager mit zwei oder vier Akkorden, aber auch da ist es manchmal nicht einfach. Es gibt aber auch Schlager wie zum Beispiel von Bill Ramsey, das „Café Oriental“, mit etlichen Tonartwechseln drin und ganz schrägen Akkorden.

Aber ich glaube, alles in allem wollte man es damals einfach und unbeschwert haben: gut hörbar und eben nicht schwer verdaulich und ewig lang. Manche Schlager dauern ja unter zwei Minuten.
Jonas Frank: Ja, und das ist auch gut so. Wenn ich da an „Ich weiß, was dir fehlt” denke von Peter Alexander: Das sind zwei Strophen, die sind jeweils vier Zeilen lang. Und nach eineinhalb Minuten ist das Lied vorbei. Und das macht den Schlager aus.

Ich nehme gerade als Erkenntnis für mich selber mit, dass es zwischen Peter Alexander und den Sex Pistols relativ viele Parallelen gibt. Die Sex Pistols waren auch erfolgreich mit Songs, die selten länger als 2.30 waren. Sie waren sehr stolz darauf, nicht mehr als drei Akkorde zu beherrschen. Und die Strophen waren eigentlich auch meistens mit einer klaren Message relativ kurz. Wir lernen: Die wahren Punks waren in den 50er Jahren schon die aus der Abteilung Schlager. Wichtig zum Schluss: Wer von euch muss den Frontmann oder die Frontfrau machen? Also, wer ist Jagger und wer ist Richards sozusagen?
Ines Wagner: Der Frontmann ist ursprünglich der Jonas. Aber Thomas und ich wissen, wir stehen ganz dicht dahinter. Ganz dicht dahinter unterstützen wir die Sache. Man kann auch die Rollen kurz mal wechseln. Je nach Lied, je nach Situation.
Jonas Frank: Ungewollt bin ich es, ungewollt! Aber im Ernst: Wir möchten auf jeden Fall alle drei das Gesicht der Schlagergang sein!

Die Schlagergang
13. April, 20.00 Uhr
Gmund, Neureuthersaal

Die Schlagergang

Was sie eint, ist die Liebe zum Schlager: Jonas Frank, Ines Wagner und Thomas Schuh (v.l.) sind die Schlagergang.
Foto: Thomas Werner

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