Saurüsselalm

Zwischen Kaiserschmarrn und veganem Trendfood

Die neue Saurüsselalm war rund um den Tegernsee schon längst im Gespräch, da gab es sie noch gar nicht. Seit wenigen Monaten nun steckt die ehemals verwaiste Alm wieder voller Leben. Zu viel Leben, sagen manche – und zu wenig Alm. Die Seeseiten haben sich einen Eindruck verschafft und das Wirtspaar Tanja und Martin Frühauf besucht.

Text: Ute Watzl

Saurüsselalm Bad Wiessee Tegernsee

Ein echtes Schmuckstück traditioneller Baukultur vor der Bergkulisse.
Foto: Urs Golling

Dieser Ort im Söllbachtal, zwischen Saurüssel- und Auerbachgraben gelegen, strahlt eine besondere Atmosphäre aus: Einsam liegt die langgestreckte Almhütte frisch renoviert mit ihrem Schindeldach und der großen Terrasse auf einer Lichtung. Vor ihr eine weite Weidefläche umrahmt vom Wald, hinter der Hütte ein Berghang, der von vereinzelten Birken bewachsen ist. Hier weiden im Sommer die Ziegen, auf der anderen Seite die Kühe.

Diese Idylle mag nicht so recht passen zu den Schlagzeilen, welche die Saurüsselalm schon vor ihrer Eröffnung bekannt gemacht haben. Vor allem Bedenken von Wildtierschützern machten sie zum Politikum. Man sorgte sich, dass der plötzlich aufkommende Wanderbetrieb an diesem bisher ruhigen Ort die Tiere stört. Nun steht sie da aber in aller Schönheit, bewirtschaftet seit ein paar Monaten. Und es ist neben ihrer Lage und dem leichten Zustieg wohl auch der Neugier der Menschen zu verdanken, dass die Gäste Tag für Tag kommen, an sonnigen Wochenenden mehr, als die große Sonnenterrasse mit ihren 200 Sitzplätzen fassen kann. Schlagzeilen – egal ob gute oder schlechte – wecken eben das Interesse.

„Sie kommen jeden Tag, bei Sonne, Regen und Schnee“, sagt Martin Frühauf, der mit seiner Frau Tanja die Alm als Pächter betreibt. „Wir haben einen riesigen Ansturm erlebt.“ Martin ist stolz auf sein junges Serviceteam, auf seinen „Jugendclub“, wie er gern sagt. „Die haben richtig Spaß bei der Arbeit. Das will was heißen bei den vielen Gästen.“ Das Paar sitzt im einstigen Stallgebäude der Alm an einem der vielen langen Tische, die jeweils Platz für zehn Personen bieten – verordnete Geselligkeit und ein Hauch von Festzelt-Ambiente, wo früher die Kühe in ihren Boxen wiederkäuten. Die einstigen Fresströge fürs Vieh hängen jetzt dekorativ an den Wänden. Der Boden wurde mit Stein ausgelegt und über dem hohen hölzernen Gebälk fällt auch von innen das aufwendige Schindeldach sofort ins Auge. Das mag Vanessa Frühauf ganz besonders. Sie liebt das Rustikale dieses Gebäudes, die traditionelle Baukultur. Aber allzu alpenländisch sollte die neue Almwirtschaft dann auch nicht daherkommen. Deswegen entstand ihre Idee zur „etwas anderen Alm“.

Tanja und Martin Frühauf in der Saurüsselalm

Die Frühaufs haben sich als Gastronomen am Tegernsee bereits einen Namen gemacht.
Foto: Urs Golling

Was das heißt? Zum Beispiel, dass beim Tischnachbarn vielleicht Champagner neben der Trüffel-Pizza perlt, wenn man als einfacher Wanderer auf der sonnenverwöhnten Terrasse Platz nimmt. Gewöhnungsbedürftig? Vielleicht. Andererseits: Warum nicht mal ein Weißwein im Glas, statt Bier in der Flasche, und zum Tatar vom Rind auf dem Teller den Klang von Kuhglocken im Ohr. Kontraste wie diese machen die Saurüsselalm zu einem Erlebnis.
hat er Altkanzler “ Helmut Kohl bekocht.

Moderne und Tradition in einem

„Wir fanden, das Tal kann etwas erfrischend Neues verkraften“, sagt Tanja, „etwas Moderneres, das auch zu uns passt, und wo wir dahinterstehen.“ Irgendetwas jenseits der romantischen Schwarzentenn-Alm und der urigen Siebenhütten sollte es sein. Weder Hirschgeweih-Romantik, noch krachlederne Folklore, keine Selbstbedienung, aber auch keine Bedienung im Dirndl. Stattdessen: dezente Dekoration, moderne Lounge-Musik, ein blutjunges Serviceteam, feines Geschirr und Glas sowie eine erlesene Weinkarte und das etwas andere Alm-Menü. „Es ist eine bayerische Alm und soll es auch bleiben“, sagt Tanja. „Deswegen gibt’s auch bei uns Käse und Kaiserschmarrn, Wiener und Wurstsalat.“

Aber eben auch das Andere: Saibling von der Wiesseer Fischerei, vegane Speisen, Pannacotta mit frischem Rhabarber, kälberne Fleischpflanzerl. Das Fleisch kommt aus der Region, der Käse auch, das versteht sich von selbst. Aber das Mineralwasser heißt hier Bubble Water (weil es die Tochter als Kleinkind immer so nannte) und beim Hüttenabend gibt’s dann auch mal Spargel und Bärlauch. Bodenständig sei ihre Karte dennoch, „bayerisch mit einem gewissen Twist“. So schafft es auch ein Knödel auf die Speisekarte, aber eben „der etwas andere“ Knödel aus der Heimat des Chefs.

Denn der stammt aus Rheinland-Pfalz, und obwohl er schon seit 1990 in Bayern und seit 2005 am Tegernsee lebt, hört man ihm das noch an. Früher, in seiner Heimat, hat er Altkanzler Helmut Kohl bekocht, seit 2005 betreibt er zahlreiche gehobene Firmenrestaurants, denen die Bezeichnung Kantine nicht gerecht werden würde. Gehoben, aber nicht abgehoben, so könnte auch das Motto in der Saurüsselalm lauten. In der Tegernseer Peripherie jedenfalls erscheint sie
allemal ungewöhnlich – ein bisschen so wie das zugereiste Wirtspaar selbst auch.

Festzelt-Ambiente in der Saurüsselalm

Holz wohin das Auge schaut im ehemaligen Kuhstall, die großen Tische sind eine Aufforderung zur Geselligkeit.
Foto: Urs Golling

Vollblut-Gastronom Martin, der gelernte Koch, ist heute mehr Geschäftsmann als Hüttenwirt, lässt es sich aber nicht nehmen, den Kaiserschmarrn höchstpersönlich zuzubereiten. Große Mengen in gleichbleibend hoher Qualität zu kochen, „das ist das Wichtigste, aber auch das Schwierigste“, sagt er. Bei schönem Wetter,
wenn viele Gäste zu erwarten sind, kann er deshalb nicht woanders sein. „Dann möchte ich am liebsten jeden einzelnen Teller sehen, der die Küche verlässt.“

Und Ehefrau Tanja? „Sie ist vielleicht bis heute noch nicht ganz angekommen“, sagt Martin scherzhaft. Sie hatte auch einen weiten Weg hierher: Vanessa stammt aus Südafrika. Sechs Monate wollte die frühere IT-Projektmanagerin in Deutschland bleiben, bis heute sind es schon 21 Jahre. Aus Südafrika stammend und zuvor in London und München lebend, hatte sie zunächst ihre Mühe mit der oberbayerischen Mentalität. Aus ihrem kosmopolitischen Leben wurde sie plötzlich in den Mutter-Kind-Kurs in Rottach-Egern katapultiert – ein Kulturschock. Hin und wieder zieht es die beiden dann doch wieder hinaus in die weite Welt. „Wir lieben das Kontrastprogramm und sind froh, wenn wir wieder zuhause sind.“ Zuhause, am Tegernsee – also doch angekommen.

„Zuagroast“ – und trotzdem keine Unbekannten mehr

Die beiden Zugereisten sind in der Tegernseer Gastronomie längst keine Unbekannten mehr. Bis 2016 betrieben sie zusammen das schicke Wirtshaus „Postillion“ in Rottach-Egern, in dem sie sich auch kennengelernt hatten. Auch hier: Anspruchsvolle, internationale Küche in traditionell bayerischer Kulisse. Im früher sehr beliebten Ausflugslokal „Bauer in der Au“, ebenfalls im Söllbachtal, bewirten sie heute geschlossene Gesellschaften. „Es macht uns Spaß, Gastgeber zu sein“, sagt Martin. „Aber nur dann, wenn wir es auf unsere Art schön haben: nicht überkandidelt, aber eben mit mundgeblasenen Weingläsern, statt mit industriellem Pressglas.“ Alpenländischer Rüschenschick zu Blasmusik – das wäre bei den Frühaufs sicher nicht glaubwürdig.

Die Wanderung zur Saurüsselalm erfolgt vom Parkplatz Söllbachtal zunächst entlang des Söllbachs, hinter der Söllbachklause rechts zum Saurüsselgraben und diesem folgend bis zum Abzweig links zur Alm. Wer mag, gönnt sich zuvor die Gipfeltour auf den Fockenstein.

Die Saurüsselalm hat in den Sommermonaten täglich von Mai bis September 9.30 bis 18.00 Uhr geöffnet, von Oktober bis April ebenfalls täglich bis 16.00 Uhr. Vor allem an den Wochenenden empfiehlt es sich zu reservieren.

Saurüsselalm 1, Bad Wiessee, www.sauruesselalm.de

Terrasse der Saurüsselalm

Rustikal und ohne Kitsch – so zeigt sich die neue Saurüsselalm im Söllbachtal.
Foto: Urs Golling

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