Bergwacht Rottach

Die Alltagsheldin

Für die einen sind sie eine selbstverständliche Dienstleistung am Berg, für die anderen sind sie Helden: die Bergretter. Irgendwo dazwischen liegt wie immer die Wahrheit. Auf der Suche danach besuchten die Seeseiten Katharina Schmidt bei der Bergwacht Rottach. Sie ist dort eine der Jüngsten – und heute schon unersetzbar.

Text: Ute Watzl

Tegernseer Bergretterin Katharina Schmidt

“Wenn mir mal was am Berg passiert, möchte ich auch, dass mir jemand aus der Patsche hilft.” Kathy Schmidt ist eine der Jüngsten bei der Bergwacht Rottach.
Foto: Ute Watzl

Vorweihnachtszeit ist Bergretter-Zeit, jedenfalls im Fernsehen. Immer donnerstags zur Primetime locken sie um die fünf Millionen Zuschauer vor den Bildschirm, stabil seit 2009 und inzwischen schon in der 15. Staffel: „Die Bergretter“ im ZDF. Das Drama, die Action und vor allem die imposanten Landschaftsaufnahmen – das alles begeistert die stattliche Fangemeinde, die sich sogar regelmäßig zu Fan-Tagen und -Wanderungen trifft. Soweit geht es bei Katharina Schmidt, 27, nicht, aber auch sie hat die Bergretter als Kind geliebt. Damals lebte sie noch im Chiemgau. Heute wohnt und arbeitet sie am Tegernsee – und ist selbst bei der Bergwacht. 

Aber nein, dort ist sie nicht wegen der Fernsehserie gelandet. Vielmehr hat ein aktiver Arbeitskollege bei Kathi Schmidt für dieses Ehrenamt geworben, als sie sich in Tegernsee zur Notfallsanitäterin ausbilden ließ. „Ich habe erst eine Weile gezögert, weil ich während meiner Berufsausbildung keine zweite Ausbildung bei der Bergwacht machen wollte“, erzählt sie.

Es war schließlich ein Harzer Fuchs, also ein altdeutscher Hütehund, der dann den passenden Anstoß lieferte, den Schritt zur Bergwacht zu tun. „Ich wünschte mir damals einen Hund, aber ich wollte, dass er eine Aufgabe hat“, erzählt sie. Die bekommt er jetzt. Bei der Hundestaffel der Bergwacht erhält Aki, so heißt er, nun seine Ausbildung. Sein künftiger Job: Vermissten- und Lawinenverschütteten-Suche. Und Kathi wird zusätzlich Hundeführerin. 

Eine Frau für fast alle Fälle 

Dabei hat sie seit ihrer Ausbildung zur Bergretterin schon recht viele Aufgaben bei der Bergwacht: Neben dem allgemeinen Dienstgeschehen – also zu Einsätzen in die Berge auszurücken und dort Patienten zu versorgen – betreut sie die Medizinkammer, kontrolliert und überwacht dort die Wartung der medizinischen Geräte und Medizinprodukte, und sie ist eine von rund fünf Bergwacht-Kollegen, die ihre Kameraden in der Notfallmedizin ausbilden. 

Seit 2018 Jahren macht sie das jetzt. Wie nah fühlt sie sich nun den Bergrettern im Fernsehen? „Das ist dort alles etwas übertrieben dargestellt“, erzählt sie. „Was die mit den Helikoptern für Manöver fliegen – sowas Riskantes machen wir gar nicht. Bei uns steht an höchster Stelle die Sicherheit unserer Einsatzkräfte.“ In Wirklichkeit laufen die Einsätze meist ruhig ab. Kein Stress, keine Panik, wenig Drama, kaum Action – und erst recht kein Heldentum. 

Aber darum macht sie das Ganze ja auch nicht. Kathi ist eher ein ruhiger Mensch. Was sie antreibt, ist vielmehr das: „Ich bin selbst häufig in den Bergen unterwegs. Irgendwas möchte ich dem Berg zurückgeben. Denn was ist, wenn mir mal was passiert? Dann hätte ich auch gern jemanden, der mir aus der Patsche hilft und mich da runterholt“, erklärt sie. 

Bergwacht Tegernsee

Auch aus der Luft hat Kathi bereits einen Rettungseinsatz gehabt – bei einem Gleitschirmflieger.
Foto: Johannes Hinterseer

Im Prinzip setzt sich Kathis Beruf in ihrem Ehrenamt als Bergretterin fort. „Beruflich vorbelastet“ nennt sie das. Sie macht kein großes Gerede darum, aber Menschen in Notlagen zu helfen, das ist ihr Ding. So gesehen ist das Ehrenamt in der Bergwacht eine logische Ergänzung zu ihrer Arbeit als Notfallsanitäterin.

Da drängt sich der Gedanke auf, dass es dabei um mehr als einen Beruf geht, nämlich vielmehr um eine Berufung. Dazu passt auch, dass es ihr Freude bereitet, ihr Wissen als medizinische Ausbilderin an die Kameraden weiterzugeben. Da ist schon eine Menge Idealismus dabei.

Den braucht sie auch, denn für den Dienst bei der Bergwacht opfert man viel der eigenen Freizeit. Das macht nur jemand, der dafür brennt. Kathi hat einmal in der Woche ein Hundetraining. Dazu ist jeden Freitagabend Dienstabend. Da werden kleine Ausbildungseinheiten durchgeführt und die Einsätze der Woche nachbesprochen: Was ist wann wo passiert? Und wie kommt man am besten dorthin? Einmal im Monat hat Kathi ihr Dienstwochenende, das sie auf der Wache oder im Skigebiet verbringt. 

Man weiß nie, was als nächstes passiert

Was dann kommt, lässt sich schwer vorhersagen: Manchmal wird sie zu vier Einsätzen gerufen, an anderen Tagen gar nicht. Mal mit dem Heli, oft aber kommen die Bergretter schneller mit einem Fahrzeug zum Ort des Geschehens. Neben Stürzen von Wanderern und entsprechenden Verletzungen sind es häufig Herz-Kreislauf-Zwischenfälle, zu denen die Bergwacht gerufen wird, oder eben Vermisstensuchen.

Und wenn eine Lawine abgegangen ist, dann kann es in Zukunft durchaus passieren, dass Kathi und ihr Hund vom Heli zuhause abholt werden. Was macht dann der Adrenalinpegel? „Ich bin den Alarm aus meinem Beruf gewöhnt“, sagt Kathi, und wenn der Pegel doch mal steigt, versuche ich mich schnell zu beruhigen, damit ich richtig handeln kann.

Kathi und Aki – als Team gehen die beiden bald auf Vermisstensuche.
Foto: Johannes Hinterseer

Hin und wieder wird es spektakulär. Wie bei Kathis letztem Einsatz: Ein Gleitschirmflieger hatte sich unterhalb des Wallbergs in den Bäumen verfangen. Da schlug die Stunde für ihren allerersten eigenständigen Windeneinsatz am Helikopter.

Freischwebend unterm Heli – dazu braucht es eine gehörige Portion Coolness. „Ich musste sehr kompliziert hin klettern und dazu den halben Baum von Ästen befreien“, erzählt sie. Der Verunglückte blieb glücklicherweise unversehrt und den Schirm hat sie dann auch noch eingesammelt. Gelernt hat sie das alles im Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung (ZSA) in Bad Tölz, zunächst an Simulatoren und später beim Echtflugtraining. 

Wenn man als Bergretter eines schnell lernt, dann das: Wie vergänglich vieles ist und wie schnell man in schwierige Situationen gerät. Kathi geht mit einer gewissen Ehrfurcht an Stellen vorbei, die sie als Unfallort kennengelernt hat. „Aber ich habe sehr viel dazugelernt in den Jahren bei der Bergwacht. Mit jedem Einsatz bin ich ein Stückchen gewachsen und im Handeln sicherer geworden.“ 

Der Lohn? Dankbarkeit. Aber leider nicht immer.

Meistens, aber leider nicht immer, sind die Geretteten voller Dankbarkeit. Manchmal kommen sie später noch einmal persönlich in der Wache vorbei, um sich zu bedanken, wie die zwei schwer verletzten Mountainbiker vergangenen Sommer. Aber nicht allen ist bewusst, dass die Bergwachtler ihre Freizeit dafür hergeben, um den in Bergnot Geratenen zu helfen, und dass sie dafür nicht bezahlt werden. „Dann ist es schon ärgerlich, wenn man zum Einsatz an den Wallberg gerufen wird und dort dann keinen Patienten antrifft, weil es dem vielleicht zu lange gedauert hat“, sagt Kathi. Die beste Art, Dankbarkeit zu zeigen, ist im Grunde die Spende an den Bergwachtförderverein. Denn darüber finanziert sich die Bergwacht zum allergrößten Teil.

72 Aktive zählt die Bergwacht Rottach aktuell. „Gerade erleben wir hier auch einen kleinen Umschwung“, erzählt Kathi. „Es kommen immer mehr junge Leute dazu.“ Aber es dürften gern mehr sein, wenn es nach Kathi und ihren Kameraden ginge. Der Weg dahin dauert im Idealfall zwei, normalerweise eher drei bis vier Jahre.

Denn Bergwachtanwärter müssen zwei Eignungstests absolvieren, für Sommer und für Winter. Sie sollten im Variantengelände Skifahren können, im Klettern Erfahrung und die nötige Kondition mitbringen und sich sicher im absturzgefährdeten Gelände bewegen. Nach den Eignungstests startet die Ausbildung innerhalb der Bereitschaft durch Mediziner, Alpinisten und Bergführer aus den Reihen der eigenen Aktiven. Dazu kommt eine Naturschutzprüfung.

Für Kathi hat sich das alles gelohnt. Allein die Gemeinschaft und Kameradschaft unter den Aktiven genieße sie sehr, sagt sie. „Aber man muss auch die eigene Freizeit vom Dienst bei der Bergwacht trennen können“, sagt sie. Wenn Kathi privat auf Skitour ist, dann ist sie für die Bergwacht nicht verfügbar. „Das ist meine Zeit, die brauche ich für mich.“ 

Die Bergwacht Rottach

Exakt 100 Jahre gibt es sie bereits. Im vergangenen Sommer feierte sie das Jubiläum. 

Ihr Einsatzgebiet: 

  • Die Bergwacht Rottach betreut das zweitgrößte Dienstgebiet der Bergwacht Bayern. 
  • Es erstreckt sich von der Sigrizalm bei Waakirchen über die Blauberge und die Tegernseer Hausberge bis an die Grenze zu Tirol. Im Winter werden zudem die Ski- und Rodelgebiete Spitzingsee/Suttengebiet, Wallberg, Hirschberg und das Christa-Kinshofer-Skizentrum am Sonnenbichl im Vorsorgedienst betreut. 

Ihre Einsatzahlen: 

  • Vor und während der Coronapandemie lagen die Zahlen im Bereich von 200+. Aktuell sind es zwischen 180 und 200 Einsätze. 
  • Betrachtet man die Chronik der letzten Jahrzehnte, so ist immer wieder die Wolfsschlucht der Ort großer Einsätze. Auch Lawinenabgänge erforderten immer wieder den Einsatz der Bergwacht. 

Ihre Finanzierung: 

  • Die Bergwacht Rottach ist fast komplett durch Spenden selbstfinanziert. Ein kleiner Anteil kommt durch Ausschüttung der Krankenkassen hinzu.
  • Einsatzkleidung und Ausrüstung muss durch die Einsatzkräfte und teilweise sehr jungen Anwärter selbst beschafft und bezahlt werden. Diese Kosten belaufen sich auf circa 3000 bis 4000 Euro. Die Bereitschaft versucht hier zu unterstützen, was leider nicht vollständig gelingt. 

Ihre Diensthütten: 

Neben der Rettungswache in Kalkofen 2 betreibt die Bergwacht vier Diensthütten: eine am Blankenstein, zwei in der Sutten und eine am Wallberg. 

Ihre Frauen: 

Katharina Schmidt ist eine von 17 aktiven Frauen in der Bergwacht Rottach. Letztere war auch die erste Bergwacht in Bayern, die eine Frau zum Dienst zuließ. Das war 1992. 

Mehr über die Bergwacht Rottach erfahren Sie hier auf der Website.

Bergwacht Rottach historisch

Die Bergwacht Rottach gibt es seit 100 Jahren.
Foto: Bergwacht Rottach