Boarisch g'ratscht!

Zwiderwurzn

Der Begriff “Zwiderwurzn” steht quasi archetypisch für gepflegtes Bairisch. Ein Versuch, ihn zu erklären.

Text: Christian Jakubetz

Das Bairische lässt gerne mal Vokale weg und packt dann zwei Konsonanten hintereinander.
Illustration: Thomas Hepp

Menschen, die des Bairischen nicht mächtig sind, haben mit einer Eigenheit unseres wunderbaren Dialekts die größten Probleme: Wir lassen gerne mal Vokale weg und packen dann zwei Konsonanten hintereinander. Das spart nicht nur Zeit, sondern gibt der Sprache ihren unvergleichlichen Sound. Man kann sich also deshalb gut vorstellen, warum der folgende Begriff quasi archetypisch für gepflegtes Bairisch ist:

Du Zwiderwurzn!

In der Zwiderwurzn kommt nicht nur der typische Dialekt in seine Reinform. Sondern genau genommen der ganze bayerische Charakter. Wir mögen es ja gerne direkt, klar, deutlich. Und wir lieben die bildhafte Sprache. Trotzdem liegt dem Bayern bei aller sprachlichen Kernigkeit immer auch etwas Versöhnliches zugrunde: Samma wieda guad? Wenn wir also jemanden als Zwiderwurzn bezeichnen, dann liegt darin schon wieder was Nettes. Ein echtes Ekelpaket würden wir dagegen nie im Leben so titulieren. Ist Zwiderwurzn eine Beleidigung? Unsere Vermutung: zumindest vor einem bayerischen Amtsgericht eher nicht.

Falls Sie, liebe Leser und natürlich auch liebe Leserin, des Bayerischen nicht mächtig sind und sich jetzt fragen, was eine solche Zwiderwurzn überhaupt ist: Wörtlich übersetzt würde das so viel wie „Zuwiderwurzel“ bedeuten. Sie sehen schon, die wörtliche Übersetzung ist sinnlos, wie so oft im Bayerischen übrigens. Versuchen wir es mal so: ein Mensch, dem oft etwas zuwider ist. Man könnte ihn mit dem Grantler vergleichen, aber das ist ja dann auch wieder so ein kaum zu übersetzender Begriff.

Zu den weiteren Widersprüchlichkeiten des Baierischen gehört, dass die Zwiderwurzn gerne mit dem Adjektiv „sauber” gekoppelt wird. Eine „saubere Zwiderwurzn“ ist also so viel wie eine echte Zuwiderwurzel, was sich wiederum nicht richtig übersetzen lässt, aber klar macht, dass das „sauber“ in diesem Fall eine Verstärkung ist. Über die durchaus widersprüchliche Bedeutung des Begriffs „sauber“ müsste man dann fast schon wieder eine eigene Kolumne schreiben, weil „sauber“ ja, in einem anderen Zusammenhang verwendet, beinahe höchstes Lob bedeuten kann. Im Kontext mit der Zwiderwurzn ist das aber eher nicht der Fall.

Und wenn Sie jetzt immer noch das Gefühl haben, dieses typisch bayerische Wort nicht ganz korrekt aussprechen zu können – laut Lautsprache geht das so:

[t̑sviːɖɐ|‌vʊʁt̑sn.]

  • Was tun Sie gerade, …?

    Die Keramikerin Monika Ulbrichtbetreibt die gleichnamige Werkstatt am Tegernsee in vierter Generation.