Kabarettist Christian Springer

Zwischen Bühne und Berufung

Wie lustig ist der Ernst des Lebens? Für Christian Springer so sehr, dass er sein ganzes Leben diesem lustigen Ernst des Lebens gewidmet hat. In Büchern, Kabarettprogrammen und natürlich als Moderator des legendären Schlachthofs im BR. Jeder Spaß hat aber auch seine ernsten Grenzen. Welche das sind, erzählt er im Gespräch mit den Seeseiten. Im Oktober tritt er in Rottach-Egern auf.

Text: Christian Jakubetz

Kabarettist Christian Springer

„Ich mache nicht politisches Kabarett und lege mich danach an den Strand und lasse es dann gut sein“: der Kabarettist, Moderator und Autor Christian Springer.
Foto: Sina-Maria Schweikle

Neben dem Kabarettisten und Moderator gibt es auch noch die ernstere Seite des Christian Springer. In seinen Büchern schreibt er über den Ukraine-Krieg und den Klimawandel, zudem hat er vor 12 Jahren einen Verein gegründet, der inzwischen zu einer Lebensaufgabe geworden ist. Wenn man Christian Springer begegnet, trifft man dementsprechend einen Menschen, der lange und reflektiert über Politik sprechen und trotzdem im nächsten Moment herzlich loslachen kann.

Bevor wir über Sie sprechen, möchte ich über jemand anderen reden. Nämlich über den Satiriker „El Hotzo“. Der hat nach dem Attentatsversuch auf Donald Trump einen umstrittenen Tweet abgesetzt, in dem er geschrieben hat, dass er es toll finde, wenn Faschisten sterben. Daraufhin hat der RBB als öffentlich-rechtlicher Sender die Zusammenarbeit mit Sebastian Hotz beendet und seitdem tobt eine Diskussion in den Feuilletons und in den Leitartikeln. Würden Sie sagen, das ist noch von der Kunstfreiheit gedeckt oder geht das zu weit?
Wenn man über El Hotzo diskutiert, dann muss man auch über Äußerungen von Dieter Nuhr diskutieren, der den gleichen Arbeitgeber hat, der eine Bemerkung gemacht hat, die ich unsäglich finde, dass Leute, die dieses und jenes behaupten, eingeschläfert werden sollten. Bei Dieter Nuhr sagt man, das ist Kunst, das ist Satire, bei El Hotzo sagt man, da ist eine Grenze überschritten. Das klingt sehr einseitig.
Ich habe El Hotzo persönlich kennengelernt. Ich liebe seine Satire sehr und war verärgert über diesen Post, weil er sein Koordinatensystem verlassen hat. Ich würde so etwas nie machen und ich würde das auch nicht mehr von der Kunstfreiheit gedeckt sehen. Wenn wir in Demokratien akzeptieren würden, dass sich jemand auf ein Dach legt, um auf jemanden zu schießen – das darf in einer Demokratie einfach nicht passieren. Und wir dürfen es nicht Mördern überlassen, Entscheidungen in der Politik zu treffen.

Sie haben in ihren Programmen ja immer aktuelle Bezüge. Sie reden über Politik. Immer wenn man über Politik redet, dann hat man ja so was wie eine Haltung. Kann man überhaupt politisch neutrales Kabarett machen? Oder würden Sie sagen, ich habe eine ganz klare Haltung und dazu stehe ich?
Da gibt es aus meiner Sicht einen Unterschied zwischen Comedy und Kabarett. Und viele Leute sagen, Kabarett muss politisch sein und Comedy darf Witze machen über die Kegelbahn oder über den Betriebsausflug oder so. Das ist mir zu kurz gegriffen, weil ich auch manchmal Witze erzähle. Ich glaube, da sollte man nicht so streng sein, das ist wie in der Musik. Gute Musik ist gute Musik. Und man kann einmal bei einem Beatles-Song mitgrölen und dann wieder bei einem Mozart-Konzert andächtig sitzen. Da stellt sich auch die Frage, was ist politisches Kabarett? Seitdem ich auf der Bühne stehe, will ich das, was ich auf der Bühne erzähle, auch ein wenig im persönlichen Leben umsetzen. Das heißt, ich diskutiere mit Politikern, ich diskutiere politisch mit den Leuten. Und meine kabarettistische Tätigkeit ist ein Teil meiner politischen Persönlichkeit. Und nicht umgekehrt. Also ich mache nicht politisches Kabarett und dann lege ich mich an den Strand und lasse es gut sein, sondern es ist umgekehrt.

Ist der Abend auf der Bühne identisch mit einem Abend im echten Leben?
Wenn ich eine Anekdote einbringen darf: Ich habe die Bühne lieben gelernt, allein wegen des Geruchs und wegen dieses Gefühls, wenn man hinter dem Bühnenvorhangsteht. Der Vorhang geht auf, du kommst raus. Du hast noch kein Wort gesagt, es ist noch nichts passiert und die Leute klatschen. Das ist so ein, Entschuldigung, geiles Gefühl. Jeden Abend.
Das hat angefangen, als ich im Kinderchor der Oper gesungen habe, Staatsoper in München. Und wenn ich mir das heute anschaue, der Kinderchor in Carmen, der läuft hinter den Soldaten her, die aufmarschieren, und macht diese Schritte nach und singt. Diese Kinder machen sich über die Soldaten lustig, die da marschieren, mit ihren Schritten, mit ihrem Gesang. Sie machen sich also über die Obrigkeit lustig. Ich fand das faszinierend. Es hat mir damals schon Spaß gemacht, mich über die Obrigkeit lustig zu machen. Das mache ich heute nach 50 Jahren immer noch.

Verein „Orienthelfer“ Christian Springer

Mit seinem Verein „Orienthelfer“ engagiert sich Christian Springer seit 2012 für Menschen in Syrien.
Foto: BR

Das beantwortet die naheliegende Frage, warum Sie nicht Opernsänger oder Musiker geworden sind. Sie waren eigentlich auf dem besten Weg dazu, oder?
Das war biologisch bedingt, der Stimmbruch. Und außerdem, so in der fünften Klasse, da steht noch im Zeugnis, dass ich schüchtern bin. Und schüchtern passt überhaupt nicht zu dem heutigen Christian Springer, der eine Rampensau geworden ist. Das hat etwas gedauert, bis ich mich auf die Bühne getraut habe. Das kam dann mit dem Erfolg und mit der Freude, den Leuten etwas zu erzählen. Ich nehme keine Drogen, aber so stelle ich mir das vor, das ist fast wie eine Droge. Ohne Bühne kann ich heute nicht mehr sein.

Sie waren schüchtern, Sie haben sich kaum auf die Bühne getraut und heute sagen Sie von sich, Sie sind eine Rampensau – und offen gesagt, direkt schüchtern kommen Sie mir jetzt auch nicht vor. Wie ist diese Entwicklung verlaufen?
Es war einfach die Pubertät, und da ist ein Widerspruchsgeist entstanden. Ich bin auf eine sehr konservative Schule gegangen. Da stand im ersten Stock der Physiklehrer im weißen Kittel mit einem langen Bambusstock und hat jedem die Wintermütze vom Kopf geschlagen und hat ihn angeschrien, warum er die Mütze noch im Gebäude hat. Das war zum Ersticken. Dagegen habe ich rebelliert. Dann bin ich für das Abitur auf eine liberale Schule gewechselt. Das hat mir auch nicht gepasst. Es gab Lehrer, die haben uns das Du angeboten, als wir 18 waren. Ich habe gedacht, du bist Lehrer. Ich will nicht mit dir per Du sein. Du bist nicht mein Freund.

Und danach?
(lacht) Ich habe auf Franz Josef Strauß Eier geworfen und nicht getroffen. Und ein Klassenkamerad von mir ist heute noch Chef des bayerischen Verfassungsschutzes. Ich glaube, da sieht man schon die Bandbreite auch in dieser Klasse.

Unglaublich. Freunde können Sie aber eigentlich nicht gewesen sein …
Wir haben uns damals schon beharkt, aber wir geben uns die Hand und freuen uns, wenn wir uns sehen, weil wir Klassenkameraden waren.

Wären Sie mir sehr böse, wenn ich sagen würde, dass Sie eher in eine Reihe mit den klassischen großen bayerischen Kabarettisten gehören, also sagen wir mal Ottfried Fischer, Sigi Zimmerschied, Dieter Hildebrandt? Also jemand, der auch mal ausholt für eine Geschichte, dessen Programme einen klaren Inhalt haben und den der One-Liner eher nicht interessiert?
Ich höre das sehr gerne. Diese bayerischen Kabarettisten haben einen ähnlichen Lebensweg. Sigi Zimmerschied, Bruno Jonas, Ottfried Fischer sind in Niederbayern aufgewachsen, einige haben in Passau studiert. Sigi Zimmerschied wohnt heute noch in Passau. Sie sind in einer Welt aufgewachsen, in der sie ständig angegriffen wurden und in der sie mit Kreativität zurückgeschlagen haben. Der Bischof von Passau war ein mächtiger Mann, und die CSU, das war auch eine große Macht. Da hat man sich gerieben, da ist man auch angegangen worden.

Christian Springer und sein Freund und Kollege Michael Altinger

Die Herren des Schlachthofs: Christian Springer und sein Freund und Kollege Michael Altinger
Foto: BR/Markus Konvalik

Von Ottfried Fischer haben Sie immerhin die Nachfolge als Moderator vom „Schlachthof“ angetreten.
Es war mir sehr, sehr wichtig, dass Ottfried Fischer mir dazu seinen Segen gibt. Von ihm habe ich am meisten gelernt, weil ich sehr viel für ihn geschrieben habe. Ich war von der ersten Schlachthofsendung an bei Ottfried Fischer als Schreiberling dabei, immer mal wieder dort auf der Bühne.

Ist der Schlachthof für den BR eine solche Insel, wo man sagt, was die sonst machen, interessiert mich nicht? Ist der BR vielleicht offener geworden oder ist das einfach ein ambivalentes Verhältnis, dass man sagt, okay, ich arbeite in einem sehr, sehr konservativen Umfeld, aber der Schlachthof lässt uns alle Möglichkeiten?
Ich habe zu allem ein ambivalentes Verhältnis, außer zu meiner Familie und zu meinen Freunden. Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zu meinem Auto. Wenn mir jemand in der 11. Klasse gesagt hätte, später fährst du einen großen BMW, weil du dich da sicherer fühlst, wenn du nachts um drei auf der Autobahn fährst, da hätte ich gesagt, du hast einen kompletten Vogel. Beim BR haben mir viele Dinge nicht gepasst. Ich hatte sehr viele Auseinandersetzungen mit Leuten dort, die meine Kreativität nicht verstanden haben, weil sie Bürokraten waren. Trotzdem habe ich in den ganzen Jahren nie Zensur erlebt. Ich habe dem BR viel zu verdanken.

Wir haben jetzt viel über Kabarett gesprochen, über Fernsehmoderation, aber Sie engagieren sich ja sehr intensiv sozial mit dem Verein „Orienthelfer“.
Ja, mein Engagement neben der Bühne hat wirklich viele Facetten. Der Verein, den ich gegründet habe, hatte damals noch die Idee, syrischen Flüchtlingen vor Ort zu helfen. Was wir immer noch tun. Wir sind diejenigen, die nach wie vor Zugang zu beiden Seiten in Syrien haben. Wir können auf der sogenannten Stellvertreterseite helfen und wir helfen auf der sogenannten Rebellenseite, aber eben humanitär, ausschließlich humanitär. Es ist leider etwas kompliziert, aber es ist nun mal einfach so in der humanitären Hilfe.

Was treibt Sie dann nach so langer Zeit noch an?
Dieser Satz, “Man kann ohnehin nichts machen” ist eine Lüge. Jeder Mensch kann etwas tun und etwas bewegen. Und wenn man mit der Fahne vorangeht und sagt, ich tue etwas, dann findet sich ein Zweiter, ein Dritter. Das hat mich immerangetrieben. Ich war ein Idiot. Als ich 2012 den Verein gegründet habe, dachte ich , in zwei Jahren ist dieser brutale Diktator weg. Jetzt, nach über 12 Jahren, stecken wir tiefer drin in dieser Hilfe, als wir uns das je vorgestellt haben. Und jetzt ist es ein Lebenswerk geworden. Ich glaube nicht, dass ich in 20 Jahren mit 80 sage, Orientelfer braucht es jetzt nicht mehr.

Ich war auch zwei, drei Tage im Europäischen Parlament in Straßburg. Das war toll, das selbst zu erleben. Da sind Leute unterwegs, die ein Ziel haben: Dass man nicht mehr aufeinander schießt, dass man Handel treibt, dass man als Deutscher friedlich nach Italien in den Urlaub fahren kann. Wer heute über Europa sagt, da redet man über die Krümmung der Banane oder der Gurke, der hat etwas von Europa nicht verstanden. Das treibt mich wahnsinnig an. Und vielleicht zum Schluss und als Pointe der ganzen Geschichte, wer hat mich ins Europaparlament eingeladen?

Lassen Sie mich raten: Edmund Stoiber?
Sie sind ganz nah dran. Es war tatsächlich ein CSUler. Diese Gräben müssen zugeschüttet werden: SPD gut, CSU schlecht. Es geht um Menschen und Ideen.

Christian Springer
„Leider“,
19. Oktober
Seeforum Rottach-Egern

Auszüge aus dem Interview mit Christian Springer hören Sie auch in unserem Podcast.

Christian Springer und Werner Schmidbauer

Christian Springer und Werner Schmidbauer: Gemeinsam auf dem Gipfel
Foto: BR/Markus Konvalik

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