Geh einfach ins Grün des Waldes und du wirst Heilung erfahren, allein indem du dort bist und atmest”, wusste schon Hildegard von Bingen. Diese Idee aus dem Mittelalter lebt gerade wieder neu auf: In Japan wird das Shinrin Yoku, was übersetzt „Ein Bad im Wald”, kurz Waldbaden heißt, schon länger wieder praktiziert. Und nicht nur das: Es gibt sogar den Begriff „Forrest Medicine”, also Wald-Medizin.

Alles Einbildung? Nein, weil sich die Effekte messen lassen. Schon bei einem kurzen Waldspaziergang von zehn Minuten verbessert sich die Stimmung, die Herzfrequenz verlang – samt sich und die Atmung wird ruhiger. Studien ergaben, dass das Stresslevel bei regelmäßigen Waldspaziergängen signifikant sinkt, dass häufige Aufenthalte in der Natur die Krankheitszeiten verkürzen und weniger anfällig für Infekte machen.

Ortstermin im Franzosenwald in Bad Wiessee. „Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden und tauscht bei ihnen seine Seele um.” Ich lausche dem Gedicht „Die Wälder schweigen” von Erich Kästner und sitze dabei an einen dicken Stamm gelehnt auf dem Waldboden. Das Gedicht liest mir Michael Huber vor, Waldpädagogik-Beauftragter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Holzkirchen. Er war lange Jahre als Revierförster im Tegernseer Tal tätig und begleitet heute unter anderem Schulklassen in den Wald. „Dort, wo die Gräser wie Bekannte nicken und wo die Spinnen seidne Strümpfe stricken, wird man gesund” – die poetischen Zeilen runden die erste von einigen Achtsamkeitsübungen ab, die der leidenschaftliche Waldgänger mit mir macht. „Der Wald bietet uns soviel Gutes”, weiß er, „aber man muss sich darauf einlassen.” Das merke ich auch bei der ersten Übung, bei der es darum geht, mit geschlossenen Augen einige Minuten innezuhalten. Das klingt so einfach, ist es aber nicht. Es dauert ein paar Momente, bis ich es tatsächlich schaffe, mich darauf einzulassen. Es duftet nach Moos und Holz, der Wind rauscht in den Blättern, Bienen summen und Vögel zwitschern. Nach und nach stellt sich eine angenehme innere Ruhe ein.