Es gibt da diese Floskel: Alter vor Schönheit. Eigentlich unsäglich, täuscht sie doch Höflichkeit vor und schließt dabei – auf ziemlich unhöfliche Weise – die Möglichkeit aus, dass Frauen im Alter attraktiv sein können. Dabei gibt es genügend Beispiele, die
das Gegenteil beweisen. Und heute kommt nicht einmal mehr Heidi Klums Castingshow ohne sie aus: die Best-Ager Models. Uli Höfle aus Rottach-Egern ist so eins.

Text: Ute Watzl

Uli Höfle sieht Wandlungsfähigkeit als wichtigste Fähigkeit für Models an. Für sie selbst trifft das in jedem Fall zu.
Foto: Carola Bührmann

Uli Höfle ist 58. Damit repräsentiert sie die größte Bevölkerungsgruppe in Deutschland: Ü50. Das tut sie vor der Kamera, und zwar nicht nur als „Werbe-Oma“, sondern auch für Beauty-Produkte. Best-Ager, was will uns diese Bezeichnung eigentlich sagen? Ist 45 bis 60 tatsächlich das beste Alter? „Ich mag mein Alter, nur die Vorstellung, in zwei Jahren 60 zu werden, erschreckt mich“, sagt sie. 25 möchte Uli Höfle trotzdem nicht noch einmal sein. Heute habe sie viel mehr Selbstbewusstsein, das kam erst mit der Lebenserfahrung. Uli Höfle hat allerdings leicht reden. Sie sieht einfach toll aus, schon gar nicht wie 58, und das ohne sehr offensichtlich geschminkt zu sein. Sie strahlt im Gegenteil sehr viel natürliche Schönheit aus. 

Da stellt sich unweigerlich die Frage: Wie macht sie das? Wer jetzt auf das ultimative Geheimrezept hofft, der wird enttäuscht. Uli Höfle isst gern, auch Süßes, und sie trinkt hin und wieder Alkohol. Schönheitschirurgische Eingriffe hatte sie nicht nötig. Sie habe einfach gute Gene, glaubt sie. Abgesehen davon geht sie viel in die Natur: Ob schwimmen im See oder auf die Berge wandern – Uli Höfle ist ein Draußen-Mensch. Zuletzt hat sie das E-Mountainbike für sich entdeckt, am liebsten kombiniert mit kurzen Gipfeltouren. „Was für ein Luxus, diese Möglichkeiten hier direkt vor der Tür zu haben“, schwärmt das Model. Den Kampf gegen zu viele Pfunde ficht sie dagegen im Laufen aus. In ihren Augen das effektivste Mittel. Zuletzt ist sie am Gardasee einen Halbmarathon gelaufen. Man sieht: Nur mit den guten Genen alleine geht es halt dann doch nicht. 

Wenn zwei Zentimeter zum Modelmaß fehlen

Die Best-Agerin stammt aus der Nähe von Hamburg, genau genommen aus der Lüneburger Heide. In den Achtzigern zog sie mit ihren Eltern an den Tegernsee. Sie lebt also lang genug hier, um sich „tief verwurzelt“ zu fühlen, „aber Bayer wird man ja nie“, sagt sie. Die Mutter von vier Söhnen im Alter von 16 bis 30 Jahren hat schon als junge Frau gemodelt, als sie in Mailand Modedesign studierte. Das war zur Zeit der Supermodels wie Linda Evangelista und Claudia Schiffer. Sie selbst hat das nur in kleinem Stil betrieben. „Mit 1,73 war ich zu klein dafür.“ Einsfünfundsiebzig – das war damals das magische Mindestmaß. 

Immer wieder macht Uli Höfle auch mal ganz ungewöhnliche Shootings.
Foto: Gunnar Lade

Die Zeiten waren für Models besonders streng. Statt des Modelns wurde die Mode zum roten Faden ihres beruflichen Lebens. In Hamburg hatte sie noch vor dem Studium Schneiderin gelernt, später gründete sie eine Taschenfirma und heute arbeitet sie im Mode-Einzelhandel. In Rottach-Egern leitet sie ein Geschäft. 

Das Model-Thema hatte sie eigentlich schon abgehakt nach jahrelanger Pause. Erst vor drei Jahren schickte sie mal wieder ein paar gute Bilder von sich zu einer Agentur für Best Ager Models. Sie wurde prompt genommen. 

Wandlungsfähigkeit statt Modepüppchen

Mode und Modeln – gehört das zusammen? „Das hat nicht unbedingt etwas miteinander zu tun und wird auch bei Germany’s Next Topmodel immer völlig falsch dargestellt“, sagt Uli Höfle. „Ein Model muss nicht unbedingt einen bestimmten Style haben. In erster Linie sollte es anpassungsfähig sein.“

Fast ein wenig entschuldigend „gesteht“ sie, dass sie die Geschicke der Models bei GNTM regelmäßig verfolgt. Dass dort nun auch Best Ager teilnehmen dürfen, ist natürlich ganz in ihrem Sinn. Sie kannte sogar eine Teilnehmerin in der vergangenen Staffel. Dass aber junge Frauen dabei sind, die schon mit 18 oder 19 erste Eingriffe in ihrem Gesicht vornehmen lassen – das kann sie nicht verstehen. „Was machen die denn mit 40?“ Und dann räumt sie gleich mit noch einem von GNTM gespielten Mythos auf: „Man geht nicht mehr unbedingt zu diesen Castings. Ich mache nur E-Castings.“ Die Anweisungen von der Casting-Agentur muss sie zuhause mit dem Smartphone selbst aufnehmen. 

Und da sind wir auch schon mitten in der Welt der sozialen Medien. Instagram und Tiktok sind heute ein einziger großer Laufsteg (manchmal auch einfach nur der Eitelkeiten). Auch für Uli Höfle ist ihr Instagram-Account gleichzeitig ihre Visitenkarte. Agenturen und Kunden möchten wissen, wie viele Follower potenzielle Models auf Instagram haben – die neue Währung auch in diesem Business. Uli Höfle bringt es auf 10.000. 

Ihre Devise: Keine Filter! 

Seit sie Instagram sehr regelmäßig bespielt, ist es zu ihrer Passion geworden, wieder regelmäßig vor der Kamera zu stehen. Auch, weil sie dort viele Kontakte geknüpft hat – zu Fotografen und Models. In regelmäßigen Fotowochen, in denen sie sich treffen, entstehen stimmungsvolle Bilder in lockerer Atmosphäre. „Ich stehe einfach total gern vor der Kamera und fühle mich wohl, wenn ich mich zeigen kann“, gesteht Höfle. Extrovertiertheit gehört zum diesem Job unbedingt dazu. 

Mal unterkühlt, mal mit strahlendem Lächeln – Uli Höfle ist wandlungsfähig.
Foto: Werner Polwein

Und weil sie zeigen möchte, dass man auch mit Falten gut ausschauen kann, legt sie über ihre Instagramfotos keine Filter. Auch die Agenturen mögen es schließlich authentisch. „Es ist wichtig, dass man Leben im Gesicht sieht“, sagt Uli Höfle. Ihre 58 Jahre Leben stehen ihr durchaus gut. Genau genommen sind sie kaum zu erkennen. 

Ihr Privileg als Best Ager Model? Den Kampf gegen das Alter muss sie nicht mehr führen. Aus Sicht junger Models kann sie mit dem Altern beneidenswert entspannt umgehen. „Ich muss keine perfekten Maße haben“, so Höfle. „Und wenn ich da ein Fältchen mehr habe, dann habe ich es halt.“ 

Der Jugendwahn ist ihr zu extrem geworden. Dass viele Schauspielerinnen keine Mimik mehr im Gesicht haben, empfindet sie als schlechtes Vorbild für Mädchen und junge Frauen. „Ich glaube, dass die Jugendlichen extrem unter Druck stehen, weil ihnen vor allem in den sozialen Medien täglich Schönheitsideale vorgegaukelt werden.“ Dabei ist diese Schönheit in sehr vielen Fällen nicht echt, sondern das Resultat smarter Filter.

In dem Zusammenhang ist die Vorstellung interessant, was die eigenen Kinder wohl von ihren Eltern denken, wenn diese sich selbstbewusst auch im höheren Alter der Kamera und der Öffentlichkeit zeigen. So wie Uli Höfle. Sind ihre Söhne stolz auf die eigene Mutter? „Das ist tatsächlich ein bisschen schwierig“, gesteht sie. Während die Größeren ihre Modelkarriere gleich respektiert haben, hatte der Jüngste damit doch Probleme. In der Schule auf seine Mutter angesprochen zu werden, ist in dem Alter nicht unbedingt lustig, sondern schlichtweg peinlich. „Für meinen Jüngsten bin ich ja auch alt“, lacht sie. „Warum sollte so eine alte Frau modeln?“ 

Älterwerden ist selten ein Grund zum Jubeln für Frauen. Auch für Uli Höfle nicht. „Aber es ist auch ein gewisses Privileg unserer Wohlstandsgesellschaft. Schade, dass das oft nicht entsprechend wertgeschätzt wird.“ So sieht sie das. Das ist keine demonstrative Zufriedenheit. Die ist echt und kommt – jedenfalls zum Teil – auch daher: Uli Höfle ist schwer verliebt. „Ich habe 56 Jahre warten müssen, um meine große Liebe kennenzulernen“, sagt sie. Liebe und persönliches Glück – vermutlich das beste Anti-Aging. 

Ihr erklärtes Ziel ist es, professionell zu modeln. Sie arbeitet daran, aber die Konkurrenz ist groß. Jede große Agentur hat inzwischen eine eigene Sparte mit Best Agern. Doch Uli Höfle ist zuversichtlich und es mag zunächst überraschen, wenn ein Model wie sie sagt: „Die Zeit arbeitet für mich. Je älter ich werde, um so besser ist es.“ Aber im Moment sieht sie einfach noch zu jung aus, um Omas zu modeln, für vieles andere ist sie schon zu alt. Deswegen meint es das 58-jährige Model ernst, wenn es sagt: „Vielleicht ist es in zehn Jahren besser.“ 

Ihre große Zeit kommt wahrscheinlich erst noch. 

Wer Uli Höfles Karriere mitverfolgen möchte, kann das hier auf Instagram tun.

Uli Höfle hält sich in den Bergen fit.
Foto: privat